Damals und Heute

Es ist schon erstaunlich, wie ein Kind das eigene Leben
verändert. Nicht nur bezogen auf die völlig anderen Lebensabläufe und
Prioritätensetzung, sondern sogar hinsichtlich der eigenen Person, der eigenen
Persönlichkeit sowie des Blickes auf die Welt. Hier ein Versuch, diese
Unterschiede zwischen Damals (vor Wirbelwinds Geburt) und Heute (nach
Wirbelwinds Geburt) darzustellen. 
Damals waren für
mich Kinder halt Kinder: süß, lösten aber keine weiteren Gefühlsregungen bei
mir aus. Im Gegenteil: Wenn meine Schwester von den Entwicklungen ihres Kindes
sprach, schaltete ich manchmal ab, weil es mich einfach nicht interessierte. Heute ist sie diejenige, die mir nicht
mehr zuhört, wenn ich ihr erzähle, wie oft der Wirbelwind heute gepupst hat 😉
Ich werde ganz gefühlsduselig, wenn ich andere Kinder sehe, unterhalte mich
liebend gerne mit anderen Eltern, um deren Erfahrungen, Probleme und Tipps zu
erhaschen. 
Damals waren meine
obersten Tugenden Ordnung und Pünktlichkeit. Ich entsprach dem Sinnbild eines
rational denkenden Wesens, quasi dem Homo Oeconomicus. Heute herrscht das Chaos. Ich habe inzwischen aufgegeben meinem
Wirbelwind hinterher zu räumen, lasse ihre Sachen oftmals einfach liegen und
schaffe es ab und an auch abends nicht mehr vom Sofa aufzustehen, um zumindest
nach Wirbelwinds Bettgehzeit den Urzustand wieder herzustellen. 
Damals hatte ich
ein gutes Gedächtnis, machte mir keine Einkaufszettel, sondern schlenderte
gemütlich durch den Supermarkt und überlegte in aller Ruhe, was ich denn abends
mal essen könnte. Heute hat sich die
Stilldemenz, obwohl ich bereits seit fast einem Jahr nicht mehr stille, immer
noch nicht verzogen. Sie schwebt über mir wie ein Damoklesschwert und schlägt
im Alltag zu, wenn ich es nicht erwarte. Und so laufe ich zum Beispiel
zielstrebig in die Küche, um etwas zu holen und dann hilflos im Raum zu stehen,
weil ich vergessen habe, was ich hier wollte. Die gute Nachricht: irgendwann
fällt es mir meist wieder ein, zum Beispiel wenn ich mir meinen morgendlichen
Joghurt aus dem Kühlschrank nehmen möchte und es mir dämmert, dass ich den ja
am Vortrag im Supermarkt einkaufen wollte, nicht die Bananen, die Wurst und das
Brot, dass ich stattdessen mitgebracht habe. Und was hilft es da, wenn ich einen
Einkaufszettel schreibe, den ich ebenfalls zu Hause vergesse?
Naja, etwas beruhigt mich dann doch: manchmal liegt es nicht
an meinem nachlassenden Gedächtnis, wenn ich etwas nicht finde, sondern am
Wirbelwind, der durch das Zimmer gefegt ist und meine gut geordneten Sachen neu
„sortiert“ hat. Das Gute: wenn man sie fragt, wo sich denn die Decke, der Schuh
oder der Ball befindet, dann läuft sie meist zielsicher zu ihrem Chaoshaufen,
ruft „da!“, und zeigt mir genau den Gegenstand, den ich wollte. Ein Genie!
NACHTRAG (8.12.2013)
Mir
sind noch weitere Unterschiede eingefallen, die ich beim letzten Mal vergessen
hatte aufzuschreiben – so viel zum Thema Vergesslichkeit 🙁
Der
erste Kommentar bezieht sich auf die Unordnung: Damals, wenn wir eine Freundin mit Kleinkind besucht hatten, dachte
ich: sie hätte ja mal aufräumen können, wenn sich Besuch ankündigt. Überall
lagen diese Spielsachen herum. Heute
weiß ich, dass sie das bestimmt getan hat, ihr Kind es nur in Sekundenschnelle
wieder verwüstet hat.
Damals habe ich mich über die Leute aufgeregt, die einen
Artikel vor die Namen setzten. Heute
sage ich es selber. Ich will es eigentlich gar nicht, aber obwohl mein Gehirn
sagt: „Nein, tu es nicht“, höre ich die Worte aus meinem Munde kommen: „Gib das
Buch bitte DEM Papa“ oder „Hey, nicht DIE Mama hauen!“. Warum ist das so? Wird
man als Eltern darauf umprogrammiert? Kaum flutscht das Baby aus dem Bauch,
werden im Kopf anscheinend Schalter umgelegt, die einen solche Worte sprechen
lassen. Hilft es dem Kind, uns besser zu verstehen? Ich kann nur hoffen, dass
es so ist. Ansonsten habe ich keine andere Ausrede parat 😉

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