Bombenstimmung

Bombenstimmung_Bombenfund in der Stadt

Eigentlich wollte ich den ersten Beitrag auf meiner neuen, eigenen Domain mit einem fröhlicheren Thema beginnen, so etwas wie „Hey schaut mal, ich habe es nun, nach drei Jahren, endlich einmal geschafft auf eine eigene Domain zu wechseln. Wie gefällt es Euch?“ Aber nun berichte ich lieber von unserem gestrigen Tag. Das ist vielleicht sogar spannender 😉

Dienstag früh

Wie an einem ganz normalen Tag verlassen wir kurz vor neun das Haus. Die Baustelle vor unserer Tür macht auf uns einen „normalen“ Eindruck. Wir fahren also in den Kindergarten und ich gebe Wölkchen und Wirbelwind ab. Das erste Mal gehe ich nun ganz alleine wieder aus dem Kindergarten heraus, weil Wölkchen heute mit Mittag isst und daher 2 ½ Stunden im Kindergarten bleibt, anstelle der sonst einen Stunde, die ich bislang im Warteraum verbracht habe.

Ich gehe in die Stadt und mache Besorgungen. Um 10 Uhr komme ich wieder zu Hause an. Als ich mich mit dem Auto dem Haus nähere, sehe ich bereits vor der Baustelle Feuerwehr, Polizei sowie einige Passanten und Leute mit Videokameras herumstehen. Natürlich frage ich einen Passanten, was denn hier los sei. Er meint trocken: Es wurde eine 250kg-Bombe gefunden.

Okay. Ohne mir der Konsequenzen bewusst zu sein nicke ich dem Mann dankend für die Information zu und gehe nach Hause. Oben angekommen fällt mir plötzlich ein, dass ich einen wichtigen Termin komplett verschwitzt habe. Ich haste also wieder aus dem Haus, fahre mit dem Auto davon und lande eine Stunde später bei Wölkchen im Kindergarten, um sie abzuholen.

Dienstagmittag

Unterwegs twittere ich noch unbedarft:


Im Kindergarten erfahre ich, dass im Gespräch stand selbigen zu evakuieren. EVAKUIEREN. Ach herrje. Daran habe ich ja so gar nicht gedacht. Aber natürlich: wenn bei der Entschärfung etwas schief geht, müssen ja alle Bewohner in Sicherheit sein!

Mir wird plötzlich mulmig zumute. Bestimmt 10 Minuten sitze ich noch auf dem Bänkchen in Wölkchens Garderobe und grübele, was ich nun tun soll. Zurück nach Hause traue ich mich nicht. Wölkchen muss aber nun Mittagsschlaf machen. Und den macht sie nur zu Hause, oder im Buggy. Da es regnet, brauche ich einen Ort, in dem ich einen Buggy trocken herumschieben kann. Also entscheide ich mich zu IKEA zu fahren. Dann kann ich gleich etwas essen. Das passt doch ganz gut.

Bei IKEA angekommen erhalte ich vom Mann die Nachricht, dass sie mit der Evakuierung begonnen haben. Von einer Freundin kommt dann die Hiobsbotschaft, dass die Evakuierung bis in die Nacht anhalten wird und wir uns schon mal etwas zum Schlafen suchen sollten. Oh nein, so ein Mist. Und wir haben nichts mitgenommen.

Nun telefoniere und whatsappe ich, was das Zeug hält. Wo können wir schlafen? Unser Vermieter könnte etwas bereitstellen, wenn dieser Ort nicht auch von der Evakuierung betroffen ist (und das war er schließlich auch). Die Großeltern wohnen eine Stunde entfernt weg, würden zur Not aber gehen. Ein Cousin, der in erfahrbarer Entfernung wohnt, geht nicht ans Telefon. Und immer wieder bekomme ich Anrufe und Nachrichten von besorgten Verwandten, die wissen wollen, wie es mir geht. Ich hätte also nonstop am Telefon und mit jeder Minute, die verstreicht, wird meine Stimme klappriger. Unterdessen isst Wölkchen Hot-Dog, flitzt durch die Ausstellungsstücke oder hängt im Buggy herum. Alle Versuche, sie zum Schlafen zu bewegen, scheitern zunächst. Dann zeigt sich auch warum: sie hat eingekackt. Ich krieche durch die Absperrung am Eingang und laufe die Treppen zum Småland hinunter. Dort haben sie eine Windel für mich. Frisch gewickelt kehre ich zum Buggy zurück und schiebe weiter. Irgendwann schläft Wölkchen tatsächlich ein. Puh, eine Sorge weniger. Nun erhalte ich auch die Zusage einer entfernten Verwandten, dass wir bei ihr übernachten können.

Dienstagnachmittag

Während Wölkchen schläft, kaufe ich ein Sofa. Man muss die Gelegenheit ja nutzen 😉 Kurz vor der Kasse öffnet Wölkchen wieder die Augen. Am Ausgang erhalte ich die Information, dass erst um 15:30 die Evakuation abgeschlossen sein soll. Ich beschließe nun doch noch einmal nach Hause zu fahren und ein paar Sachen zusammen zu packen. Einen Block neben unserer Wohnung kann ich noch parken. Ich stelle das Auto ab und betrete mit Wölkchen den abgesperrten Bereich. Es ist 14:50 Uhr. Mit klopfendem Herzen nähere ich mich der Wohnung. Vor der Tür erhalte ich einen Anruf. Auch die Kita wird bis 15:30 Uhr evakuiert. Ich solle bitte baldmöglichst Wirbelwind abholen. Ich verspreche gleich zu kommen und flitze hinauf. Ich packe ein, was mir in den Sinn kommt. Völlig verschwitzt und mit weichen Knien schleppe ich mich, Wölkchen und den Koffer die Treppe hinunter.

Als ich am Auto ankomme, atme ich hörbar auf. Ich hiefe den Koffer hinein und laufe mit Wölkchen weiter zur Kita. Auf dem Weg begegnen mir Eltern mit ihren Kindern, die bereits abgeholt wurden. Sie zeigen auf mich und rufen erstaunt „Wirbelwinds Mama kommt auch“ und „Wirbelwind wird auch abgeholt!“. Ich spüre die Aufregung der Kinder und ahne bereits, was mich in der Kita erwarten wird. Als ich die Treppen hinaufgehe, steht Wirbelwind zusammen mit den restlichen Kindern am Geländer. Erleichtert rennt sie zu mir. Am Ausgang ruft sie mir heulend zu: „Ich hab` angst wegen der Bombe!“. Ich drücke meine Maus an mich und versuche ihr auf einfachste Art und Weise – so einfach, wie man eben so ein Thema einer Vierjährigen vermitteln kann – ihr zu erklären, warum alle so aufgeregt sind. Ich erkläre weiter, dass wir deshalb heute Nacht nicht zu Hause schlafen, um sicher zu gehen, dass uns nichts passiert. Irgendwann beruhigt sie sich.

Ab 17 Uhr kann uns unsere „Gastfamilie“ am anderen Ende der Stadt in Empfang nehmen. Wir verbringen bis dahin die Zeit in einem Drogeriemarkt und auf dem Spielplatz. 16:45 Uhr fahren wir los und direkt in einen chaotischen Verkehr. Die Straßen wurden großzügig gesperrt und Ampeln an stark frequentierten Straßen einfach ausgeschaltet. Anstatt den Verkehr mit Polizisten zu regeln, wurden die Autofahrer einfach sich selbst überlassen. Es geht nur schleppend voran. Wölkchens Laune passt sich der allgemeinen Stimmung an. Ich wäre dann reif für das Bett. Irgendwann kommen wir an. Wir werden herzlich empfangen. Der Papa trifft eine Stunde später ebenfalls ein.

Dienstagabend

Die Kinder verstehen sich mit denen der Gastfamilie blendend. Getoppt wird das Ganze nur noch von den zwei jungen Katzen. Wölkchens schlechte Laune ist völlig verflogen. Sie flitzt mit lauten Ahs und Ohs durch die Wohnung und kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auch Wirbelwind ist schwer damit beschäftigt die Katzen aus der Reserve zu locken. Nach dem Abendbrot stecken wir Wölkchen ins Bett. Wirbelwind darf noch etwas länger aufbleiben. Immer wieder verfolgen wir gespannt das Geschehen am Live-Ticker im Internet. Erst hieß es, dass 18 Uhr die Bombe entschärft werden soll. Das war jedoch nicht haltbar, weil die Evakuierung weiter andauerte. Durch das sehr großräumig angesetzte Gebiet mussten 17.500 Menschen wurden evakuiert. Es ist, als wolle die Stadt ein Exempel setzen. Einzelne Leute wehren sich und schlagen mit ihren Gehstöcken um sich.

Wir stecken nun auch Wirbelwind ins Bett.

Kurz vor 23 Uhr ist die Evakuierung abgeschlossen und die Entschärfung beginnt. Ich bin müde und verabschiede mich ebenfalls ins Bett. Die „Gastmutter“ versichert, dass sie hier etwas erhöht wohnen und wir schon mitbekommen würden, wenn etwas schief gehen würde. Das beruhigte jetzt nicht so sonderlich. Aber ich schlafe dennoch gut ein. Der Tag fordert seinen Tribut. Einen Knall höre ich nicht.

Mittwoch früh

Am nächsten Morgen erfahre ich, dass um 23.29 Uhr die Bombe entschärft wurde. Wir können nach Hause und den normalen, verflixten Alltag weiterführen. Das machen wir dann auch. Wir schauen vor dem Kindergarten noch zu Hause vorbei. Alles ist heil. Alles ist noch da. Ich fahre den Computer hoch und zeige Wirbelwind Bilder von Fliegerbomben und ein passendes Video. Sie hatte gefragt. Vielleicht hätte ich es sonst nicht gemacht. Mit vier Jahren muss man meiner Meinung nach noch nicht wissen, was es mit Bomben auf sich hat. Wirbelwind freut sich über das Video und möchte es immer wieder sehen. Ich schalte den Computer aus. Das mit dem Erklären verschiebe ich vielleicht besser auf das nächste Jahr. Dann hoffentlich ohne vorher evakuiert worden zu sein.

Eure Wiebke

6 Comments

  1. 26 Oktober 2016 at 10:14 pm

    Oh, da wäre mir aber das Herz in die Hose gerutscht und ich weiß nicht ob ich mich nochmal nach Hause getraut hätte, bevor die Bombe weg ist :-O. Gut das alles ok ist. Liebe Grüße, Nicole.

  2. 27 Oktober 2016 at 8:46 am

    Ach Du meine Güte, was für ein Tag!!!! Zum Glück hat alles gut geklappt. Und herzlichen Glückwunsch zum neuen Sofa! Und zur eigenen Domain. Ich schaffe es ja nicht. Hihi.
    Wünsche Euch einen ruhigeren Donnerstag. Liebe Grüße
    Tanja

  3. Kathrin
    Antworten
    27 Oktober 2016 at 8:54 am

    Liebe Wiebke,
    ich hab eine große Bitte: Ich war so glücklich darüber, bei dir endlich die Möglichkeit zu haben, einen Beitrag zu lesen und unter dem Beitrag einfach auf „nächster Post“ zu klicken und direkt weiterlesen zu können. Mit dem Umzug ist das jetzt allerdings dahin, was mich schon bei vielen vielen anderen Blogs davon abgehalten hat, darin zu lesen.
    Natürlich ist das kein Problem, wenn man immer aktuell ist, aber da ich deinen Blog erst kürzlich entdeckt habe und somit erstmal Beitrag um Beitrag aufholen muss, ist es schon arg lästig, immer wieder zur Hauptseite zurückzumüssen, um sich dann den nächstfolgenden Beitrag raussuchen zu müssen…
    Gibt es da eine Möglichkeit?
    Liebe Grüße
    Kathrin

    • 27 Oktober 2016 at 9:17 am

      Liebe Kathrin,
      vielen Dank für deine Rückmeldung. Das ist sicherlich möglich. Ich werde schauen, ob ich das noch einstellen kann. Ich bin dankbar für jeden Verbesserungsvorschlag! 😉
      Viele Grüße, Wiebke

  4. 27 Oktober 2016 at 10:13 am

    Ganz schön was los bei euch. Zum Glück ist alles gut ausgegangen.
    LG Anke

  5. Trullamama
    Antworten
    27 Oktober 2016 at 2:12 pm

    Wir sind auch gestrandet, durften zum Glück aber gegen Abend schon wieder in unsere Wohnung, bzw. die Wohnung meiner Eltern, standen nämlich auf dem Weg vom Bahnhof plötzlich vor der Polizei Absperrung. Und das nach 7h Zugreise. Aber zum Glück ist ja alles gut gegangen!
    Viele Grüße!

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