Was an Kindheitserinnerungen übrig bleibt

Was an Kindheitserinnerungen übrig bleibt

Wenn ich an meine eigene Kindheit denke, dann poppen in meinem Kopf ganz unterschiedliche Erinnerungen auf. Erinnerungen an meine Erlebnisse, an Spaß, Freude, Neugierde, aber auch Neid, Frust und Angst. Also alles quasi, was uns im Leben irgendwie emotional begleitet. Wenn ich ganz genau überlege, sind in diesen Erinnerungen allerdings erstaunlich wenige dabei, die ich an die direkte Interaktion mit meiner Mutter habe. Das lag sicherlich auch daran, dass meine Mutter in Vollzeit berufstätig war und ich die Nachmittage daher oft alleine mit meiner Schwester verbrachte. Auch am Wochenende hatten wir viel Freiheiten. Das war zwar toll, aber wie viel Mutter steckt noch in meinen Erinnerungen?

Erinnerungen an mein kindliches Ich und meine Mutter

Ein paar dieser Erinnerungen möchte ich Euch heute schildern. Ich habe in meinem Gedächtnis gefühlt und festgestellt, dass – je länger ich nachdachte – immer mehr davon zu Tage traten. Diese hier zum Beispiel:

Ich und meine Schwester, wir waren gute Schulkinder. Meine Mutter musste sich dahingehend grundsätzlich keine Sorgen machen. Einmal nach einer Klassenarbeit brachten wir allerdings schlechte Noten mit nach Hause. Wir trafen unsere Mutter im Treppenhaus. Scheu zeigten wir die Arbeiten, die ja von den Eltern gegengezeichnet werden mussten. Sie schaute erst auf die Arbeiten, dann auf uns, nahm uns in den Arm und meinte: „Hauptsache ihr seid gesund!“ Für diesen Satz bin ich ihr bis heute dankbar.

Ich erinnere mich daran, wie wir Pizza backten. Wir alle hauten tüchtig rein. Am Ende blieb noch ein Stück übrig und unsere Mutter verzichtete darauf und teilte es lieber unter uns Kindern auf. Ich war beeindruckt angesichts dieser Großzügigkeit (und das war jetzt nicht ironisch gemeint).

Auch erinnere ich mich daran, wie ich  kurz nach der Wende mit Freunden ein Abbruchhaus bestieg und dabei sehr unglücklich auf einen Stein fiel. Ich hatte ein „Loch“ im Kopf und blutete wie Sau. Heulend rannte ich zu meiner Mutter, die vollkommen ruhig blieb, mir einen Druckverband machte und mit mir zum Arzt fuhr. Sie strahlte einfach nur Ruhe aus. Machte mir keinerlei Vorwürfe. Auch dafür bin ich ihr heute sehr dankbar.

Aber es gab auch andere Erinnerungen. Wie meine Schwester und ich ein Bad nehmen sollten und uns das Wasser einfach viel zu kalt war. Unsere Mutter gab uns eine Ohrfeige. Es war das einzige Mal, dass sie die Hand gegen uns erhob. Aber die Erinnerung an diesen einmaligen, kurzen Moment ist fest eingebrannt.

Es war eine Zeit, in der sie durch die Scheidung sehr traurig war. Umso mehr liebten wir es, uns zu unserer Mutter ins Bett zu kuscheln, gekitzelt zu werden und Quatsch zu machen. Sie hatte ein gesticktes Tuch im Bad hängen, auf dem „Frische Wäsche“ stand. Da darauf zwei Figuren abgebildet waren, fragten wir sie, ob es sich dabei um Hänsel und Gretel handelte. Sie lachte herzhaft. Ab sofort war das unser geflügeltes Wort, um gute Stimmung zu verbreiten: „Hänsel und Gretel. Frische Wäsche!“. Es klingt absurd, aber genau das bleibt hängen, ganz tief im Herzen.

Insgesamt sind die Erinnerungen an meine Mutter sehr neutral. Es gab nicht viele Momente der Euphorie, aber dafür auch nicht viele Momente von Wut und Trauer. Vielleicht auch ein Grund, warum die Erinnerungen nicht so zahlreich sind. Ich hatte eine gelassene Kindheit mit viel Freiräumen. Ich fühlte mich geliebt, wenngleich auch nicht sonderlich stark beachtet.

Was behalten unsere Kinder aus ihrer Kindheit zurück?

Warum ich das erzähle? Zum Einen hat es mich selbst interessiert, was ich aus meiner Kindheit in Interaktion mit meiner Mutter noch weiß. Gleichzeitig frage ich mich, was meine Kinder aus ihrer Kindheit mitnehmen. Was würden sie in dreißig Jahren niederschreiben, wenn man sie danach fragen würde? Und ich meine hierbei nicht die zahlreichen Ausflüge, Reisen und sonstigen Erlebnisse, die sie zwangsläufig machen werden. Ich meine die Erinnerungen an die Interaktion mit uns Eltern, an die Beziehung zu uns. Was werden Wirbelwind und Wölkchen über uns Eltern denken, wenn ihre bedingungslose Liebe einem erwachsenen, reflektierenden Wesen weicht? Werden sie sich an die Kuscheleinheiten, die Wutausbrüche, die Liebesbekundungen, die Freude oder die Genervtheit erinnern, die wir ihnen in ihrem Alltag immer wieder entgegenbringen? Was werden sie behalten?

Nehmen wir den letzten Samstag. Da haben unsere Kinder Glück empfunden, als der Papa ihnen Plätzchen gebacken hat und sie davon naschen konnten. Sie haben Freude und Überraschung empfunden, als wir ganz unorthodox ein Planschbecken im Wohnzimmer aufgestellt und mit Wasser befüllt haben. Sie haben aber auch Abweisung erhalten, als wir sie baten, morgens noch etwas in ihrem Kinderzimmer zu spielen, als sie viel zu früh (aus unserer Sicht) wach wurden. Und sie haben Genervtheit erfahren, als Wölkchen die Kekskrümel im Wohnzimmer verstreute und das Sofakissen vollpinkelte. Es waren wohl alle Emotionen dabei. Was bleibt? Woran erinnern sie sich später? Sind wir die coolen Eltern, die das Planschbecken aufstellten? Oder sind wir die doofen Eltern, die so viel gemeckert haben?

Natürlich können wir das jetzt noch nicht wissen. Aber wir können zumindest dazu beitragen, dass die schönen Momente überwiegen, indem wir den „doofen“ Momente weniger Raum geben. Und im Bestenfall denken unsere Kinder später einmal: „Ich hatte eine schöne Kindheit!“ Das wäre wundervoll.

Woran denkt Ihr als erstes, wenn Ihr an Eure Kindheit denkt?

Eure Wiebke

 

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Was an Kindheitserinnerungen übrig bleibt

 

5 Comments

  1. 4 März 2018 at 8:22 pm

    Hallo Wiebke,

    ein toller Text.
    Ich selbst kann mich gar nicht so gut an meine Kindheit erinnern, die Erinnerungen sind ziemlich verblasst. Ich bin mir jedoch sicher eine tolle Kindheit gehabt zu haben mit wenig Pflichten, viel Liebe und tollen Erlebnissen.

    Ich hoffe wie du, dass sich unsere Kinder später ebenfalls so positiv an ihre Kindheit zurück erinnern werden. In 20 Jahren wissen wir mehr.

    Viele Grüße
    Mama Maus

  2. 4 März 2018 at 9:33 pm

    Liebe Wiebke, so eine Ohrfeige habe ich auch in Erinnerung. Ich denke es wird immer positive und negative Erinnerungen geben. Das Leben ist nunmal ein Auf und Ab. Aber die positiven überwiegen bei mir auf jeden Fall.

    Liebe Grüße
    Ella

    • 8 März 2018 at 8:29 pm

      Es ist schön, dass die positiven Erinnerungen überwiegen. <3
      LG Wiebke

  3. Oma Wetterwachs
    Antworten
    9 März 2018 at 11:33 am

    Meine Kindheit war geprägt von Freiheit. Ich kann mich daran erinnern, dass ich überwiegend selbst entschied, wie ich lebte. Zu Hause hatte ich immer einen sicheren Hafen. Seit ich mich erinnere …

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