Eine Zugfahrt, die ist lustig… nicht.

Eine Zugfahrt, die ist lustig

„Fahre Du doch schon mal mit dem Auto nach Hause, ich komme morgen mit den Kindern mit dem Zug hinterher.“

Als ich diese Worte dem Mann gegenüber aussprach, dachte ich wirklich, das sei ein guter Plan. Wir waren am verlängerten Osterwochenende zuerst bei seinen Eltern zum Osterbesuch und wollten dann zu meinen Eltern weiter fahren. Da Wirbelwind am Samstag Fieber bekam, schien dieses Vorhaben zu scheitern. Also fuhren wir zunächst wieder nach Hause (was kein großer Umweg war) und warteten noch eine Nacht ab. Am Sonntag früh war Wirbelwind wieder fit und wir beschlossen spontan in meine Heimat zu fahren. Dort warteten neben den Großeltern auch meine Schwester mit Mann und drei Kindern sehnsüchtig auf uns. Es war herzlich, schön, aber leider auch sehr sehr eng. Darum schlug ich dem Mann vor, am Sonntagabend bereits wieder nach Hause zu fahren. Er würde die freie Zeit genießen und konnte sogar noch zu Hause Fenster putzen (was er auch machte 😉 ). Und unsere Kinder konnten mal wieder Bahnfahren. Das ist bereits zweieinhalb Jahre her. Wirbelwind konnte sich kaum noch daran erinnern und Wölkchen war noch ein Baby. Die Erinnerungen an diese Zeit waren nicht sehr positiv (ich berichtete hier). Doch ich dachte jetzt, wo die Kinder größer sind, könnte es eine entspannte Fahrt werden. Schließlich war es auch für die Kinder ein aufregendes Erlebnis. Sagen wir mal so viel: aufregend war es.

Startschwierigkeiten

Und da stand ich nun, abfahrtbereit mit zwei kleinen Kindern, am Bahnhof. Wir hatten es zuvor so perfekt organisiert (ja, darin bin ich echt gut), dass wir nur einen kleinen Rollkoffer hatten, der – zusammen mit den zwei Kindern – in die Züge verfrachtet werden musste. Eine perfekte Planung schützt aber leider nicht davor, dass alles reibungslos funktioniert. Das durfte ich dann gestern erfahren.

Wir betraten den Bahnhof und ich holte unsere Fahrkarte. Alles kein Problem. Wir hatten sogar noch 15 Minuten Zeit, um uns etwas zu Essen beim Bäcker zu besorgen, der im Bahnhofszentrum zu finden sein sollte. Wir stiegen also die Treppen hinab und standen plötzlich vor einer Wand. Unser Gleis konnten wir noch erreichen, zum Bäcker kamen wir jedoch nicht. Dazu hätten wir einmal um den gesamten Bahnhof herumlaufen müssen. Und das bei unserem fußfaulen Wölkchen. Ich beschloss also kein Risiko einzugehen und zum Gleis zu gehen. Dort plünderten wir kurzerhand den Essensautomaten. Als der Zug einfuhr, ging bei den Kindern leichte Panik los. Während ich das letzte Getränk aus dem Automaten zog, wären die Kinder fast schon in den Zug gesprungen. Wirbelwind fragte mich unsicher: „Wie viel Zeit haben wir, bis wir den Zug verpassen?“. Ihre Wortwahl brachte ich zum Lachen.

Mit Essen bepackt gingen wir in den Zug und wählten einen Viererplatz.  Irritiert fragte Wirbelwind, ob wir uns nicht anschnallen müssen, und ob sie herumlaufen darf. An dieser Stelle bitte ein Memo an mich, dass ich bei solchen Fragen IMMER mit „Es gibt zwar keine Gurte, aber wir müssen in jedem Fall auf dem Platz sitzen bleiben“ antworte. Da ich aber leichtsinnig verkündete, dass sie auch mal kurz aufstehen könnten, brach ein mittelschweres Tohuwabohu aus. Mit schmierigen Schokoladenosterhasen bewaffnet machten sie sich auf die Suche nach der perfekten Position auf dem Sitz. So viel sei gesagt: ruhig da sitzen gehört nicht dazu. Erste Schweißperlen zeigten sich auf meiner Stirn, als ich die Schokoladenreste vom Sitze pflückte, ihre Fußabdrücke wegwischte und die Kinder bat, sich bitte RICHTIG hinzusetzen. Alle zwei Minuten.

Ein prägender Umstieg

Irgendwann kamen wir in Leipzig an, unserem Umsteigebahnhof. Von dort aus mussten wir eine weitere volle Stunde mit einem anderen Zug fahren. Ich malte mir aus, wie die Kinder auf meinem frisch aufgeladenen Handy ein paar Spiele spielen, Wölkchen vielleicht sogar ein kleines Nickerchen hält und ich es ihr gleich tue. Irgendjemand ganz hinten in meinem Kopf lachte hämisch, aber ich versuchte es gekonnt zu überhören.

In der Nähe unseres Abfahrtsgleises befand sich ein kleiner Bäcker, so dass wir dort noch ein paar vernünftigere Sachen holen konnten, als aus dem Automaten. Die Kinder sahen bereits den Zug und waren wieder leicht panisch. Ich schnappte mir die Brottüte und den Koffer und schaute auf Wirbelwind, dass sie bei mir blieb. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, dass Wirbelwind den falschen Gleis ansteuerte und rief ihr hinterher, dass sie mir bitte folgen sollte. Tüte, Koffer und Wölkchen bei mir wissend, schaute ich etwas genauer auf Wirbelwind und sah, dass sie weinte. Sie hatte den Tisch vor dem Bäcker nicht gesehen und ist volle Kanne hineingelaufen. Nun hielt sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ihre rechte Wange. Die Uhr im Blick bat ich Wirbelwind, erst einmal in den Zug einzusteigen, ehe ich mir ihre Wunde ansehen konnte. Es blutete nichts, es schien lediglich ein ordentlicher blauer Fleck zu werden. Als wir vor dem Zug standen, jammerte Wirbelwind: „Ich habe Nasenbluten. Ich habe meine Jacke vollgespritzt!“. Na toll, dachte ich. Ich reichte ihr ein Taschentuch und wunderte mich gleichzeitig, dass die Nase blutete, wo sie sich doch an der Wange gestoßen hatte.

Es läuft

Wir suchten uns ein Abteil, in dem nur ein Mann saß und breiteten uns aus. Wirbelwind überreichte mir ihr vollgeblutetes Taschentuch und bat um ein Neues, was ich ihr gab. Dann flitzte ich zur Toilette und plünderte die Papierhandtücher. Als ich zurückkam, musste ich wieder Rot gegen Weiß wechseln. Im Zweiminutentakt reichte ich Wirbelwind nun neue Tücher, während sie mir ihre blutgetränkten übereichte. Jacke, Oberteil und Hose und vor allem das Gesicht waren rotgefärbt. Der kleine Mülleimer unter dem Fenstertisch füllte sich mehr und mehr. Panik stieg in mir auf, angesichts der Blutmengen, die da aus Wirbelwinds Nase ihren Weg ins Freie bahnten. Dennoch versuchte ich äußerlich ruhig zu bleiben, soweit das in dieser Situation ging. Der Mann daneben schaute argwöhnisch hinüber. Ein bisschen tat er mir Leid.

Derweil versuchte ich Wölkchen zu beschäftigen, gab ihr ein kleines Malbuch und Filzstifte. Anmerkung für mich: wenn ich noch einmal Stifte mit auf die Fahrt nehmen sollte, dann welche die NICHT rund sind! Zumindest weiß ich jetzt, wie es unter den Bahnsitzen aussieht.

Zurück zu Wirbelwind. Die Blutung hörte einfach nicht auf. Ich fragte sie, ob ihre Nase weh tat, aber sie verneinte. Gebrochen war also scheinbar nichts. Dann kam die Blutung vielleicht durch die Überhitzung. Die warmen Temperaturen in Winterklamotten, die Hektik, das alles konnte die Blutung fördern. Ich zog Wirbelwinds Jacke, ihre Schuhe und ihre Socken aus, krempelte ihre Ärmel des Oberteils hoch. Ein anderes Mittel, um sie „abzukühlen“, fiel mir nicht ein. Ich redete ruhig auf sie ein und versuchte Wölkchen zu ignorieren, die hinter mir ebenfalls nach Aufmerksamkeit verlangte. Irgendwann wurde es weniger. Ich atmete erleichtert auf und meinte zum Mann gegenüber, dass ich nun wohl keinen Notarzt mehr kommen lassen muss. Er lächelte mich an. Immerhin.

Wölkchen hatte sich, in Sympathie zu ihrer Schwester, ebenfalls die Schuhe ausgezogen und lief so im Abteil herum. Ich bat sie, zumindest auf den Sitzen zu bleiben, was sie selbstverständlich nicht tat. Einmal lief sie mir sogar barfüßig zur Toilette hinterher, weil sie (obwohl sie eine Windel anhatte), pullern musste. Dass ich so viel Aufmerksamkeit an ihre große Schwester vergab, kannte sie eben nicht. Dann muss eben auch zu solchen Mitteln gegriffen werden.

Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei und die Blutung gestoppt. Noch einmal ging ich zur Toilette und holte mit Wasser getränkte Tücher, um Wirbelwind so weit wieder herzustellen, dass der Schaffner keinen Schreck bekommen würde. Er stand bereits am anderen Ende des Ganges. Ich beseitigte die Blutspuren, und kaum waren die letzten Tücher in den Mülleimer gequetscht, öffnete sich die Tür „Guten Tag, die Fahrkarten bitte“.

Die restliche halbe Stunde verbrachten die Kinder damit, sich gegenseitig mein Handy aus der Hand zu reißen, die Backware auf dem Sitz zu verkrümeln und mich zu fragen, ob wir bald da wären. Irgendwann waren wir es tatsächlich. Der Mann empfing uns am Bahnsteig. Ich atmete tief durch.

Das Ende vom Leid Lied

Würde ich es nochmal machen? Diese Frage habe ich mir seit gestern schon mehrfach gestellt. Ich denke, dass so eine Zugfahrt für die Kinder eine schöne Abwechslung sein können zu den „schnöden“ Autofahrten, allein schon deshalb, weil man freier ist und nicht die ganze Zeit am selben Fleck sitzen muss. Aber genau das ist das Problem. Kinder in dem Alter von zwei und fünf Jahren, wie es meine sind, sind eben noch viel zu zappelig, als dass sie diese Freiheiten nicht auch ausnutzen würden. Für mein Nervenkostüm ist es nichts. Noch dazu haben wir für die Reise von Tür zu Tür exakt doppelt so viel Zeit gebraucht, als wenn wir mit dem Auto gefahren wären. Das ist es einfach nicht wert. Bei uns wird es wohl so schnell nicht nochmal eine Bahnfahrt geben. Und wenn Ihr mitbekommt, dass ich es vorhabe, dann verweist mich bitte auf diesen Artikel hier!

Eure Wiebke

Funfact: Während ich das schrieb, schauten die Kinder „Bobo fährt mit dem Zug“.

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Wenn die Zugfahrt mit zwei Kindern in einer mittleren Katastrophe endet...

3 Comments

  1. 4 April 2018 at 10:38 am

    Hallo Wiebke,

    Wir wollten im Mai auch mit dem Zug nach Berlin reisen.
    Genau wie ihr sind wir nicht so oft mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs (der schlechten Anbindung auf dem Land sei dank). Ich glaube, wir überlegen uns das nochmal 😉

    Viele Grüße
    Mama Maus

    • 4 April 2018 at 12:49 pm

      Hi, wenn ich dazu senfen darf, ohne Umsteigen ist das machbar und es kommt auf die Kinder und die eigenen Nerven an. Bei mir hat es gut geklappt, aber ich hab auch noch ein älteres Kind dazu UND wir hatten keine unvorhergesehende Katastrophe wie Nasenbluten.

  2. 4 April 2018 at 12:48 pm

    Hi, bei uns hat das Bahn fahren gut geklappt, ABER wir mussten nicht Umsteigen (das ist schon ohne Kinder kein Spaß) und ich hab noch zu den 2- und 5-Jährigen einen 8-Jährigen, der mit auf Sachen achtet und eine echte Hilfe ist (meistens, bei sowas auf jeden Fall schon). Und als Bestechung Stickerhefte und genug Sendungen auf dem iPad gespeichert. Allerdings ändert das alles nichts an Katastrophen wie massiven Nasenbluten.
    Mein Mann hat aber bis heute nicht verstanden, warum ich zu Ostern nicht nach Cannes wollte und dann zum Schulstart alleine mit den Kindern „mit dem Zug!“ zurück. Oder „dann halt Fliegen“. In einem Land, dessen Sprache ich nicht spreche alleine mit drei kleinen Kindern. Er findet das total unkompliziert und entspannt (nein, er ist nie ohne Auto alleine oder generell länger mit den Kindern unterwegs. Er fand auch 14 Stunden Autofahrt mit den Kindern eine gute Idee und versteht mein Veto nicht. Kind 3 brüllt nach einer Stunde und bei 4 Stunden liegen schon irgendwann alle Nerven blank.

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