Dieser Satz fiel in einer Unterhaltung mit einem Vater eines Kindergartenfreundes von Wirbelwind. Sein Kind ging, wie es bei uns „im Osten“ üblich ist, mit etwas über einem Jahr in den Kindergarten, genauso wie Wirbelwind. Kinder, die bis Vollendung des dritten Lebensjahres nur von den Eltern betreut werden, sind eher selten. Doch genau so eine Familie war nun unser Gesprächsstoff und der Vater ließ eben diesen Satz verlauten.
Da musste ich erst einmal schlucken. Eine krasse Formulierung. Ich gebe zu, dass ich ab und an Ähnliches gedacht habe, aber eben nicht so extrem, nämlich: Wirbelwind geht so gerne in den Kindergarten und lernt dort Dinge, die ich ihr alleine gar nicht beibringen könnte, eben solche Sachen, die das Leben schreibt. Dazu gehört der soziale Umgang mit Anderen, ganz zu schweigen vom Basteln (wer sich das mal ausgedacht hat!). Oder wie Papa so gerne sagt: „Kinder brauchen Kinder“. Wirbelwind mit 14 Monaten in den Kindergarten zu geben, war das Beste, was wir tun konnten. Klar hatte auch sie in der Eingewöhnung geweint, aber schon bald wollte sie nachmittags gar nicht mehr mit uns mitgehen, so wohl hat sie sich gefühlt, und das tut sie noch heute. Wenn sie sich morgens nicht anziehen mag, sag ich im ernsten Ton: dann können wir nicht in den Kindergarten gehen! Und schon lässt sie sich einkleiden.
Solche Ansichten sind nie objektiv, das weiß ich. Insgeheim wollen wir unsere Vorgehensweise rechtfertigen. Indem wir andere Wege kritisieren, geben wir uns für unsere Entscheidung Zuspruch. Wir bestärken unsere Handlung, das gibt uns Bestätigung und Sicherheit. Genau so, wie ich gerade behaupte, dass Wirbelwind gerne in den Kindergarten geht. Vielleicht denke ich es nur deshalb, damit mein Mama-Herz die Entscheidung das Kind in die Obhut anderer Hände zu geben besser verkraften kann? Vielleicht.
Man merkt: Wir Eltern haben es wahrlich nicht leicht. Jeden Tag prasseln tausende von Informationen auf uns ein, gepaart mit Entscheidungen, die gefällt werden müssen. Entscheidungen, die wir auf Grund von subjektiven Empfindungen, spärlichen Informationen und widersprüchlichen Meinungen treffen sollen. Entscheidungen, die in uns vielleicht ein Bauchgrummeln verursachen. Entscheidungen, die von anderen Eltern missbilligt werden könnten.
Wie soll das Kind heißen, Egon oder Kevin? Wann und womit soll das Baby geimpft werden, zur U4, später oder gar nicht? Wo soll es schlafen, im Familienbett oder im eigenen Zimmer? Wie wird es gestillt, nach Bedarf, alle 4 Stunden oder vielleicht gar nicht? Was ziehe ich ihm an? Sind drei paar Strümpfe bei 25 Grad ausreichend? Und schließlich: Ab wann und wo soll das Kind fremdbetreut werden?
Die zahlreichen Lösungen zeigen, dass je nach Lebenssituation und je nach Erfahrungshintergrund die Entscheidungen verschieden gefällt und für richtig empfunden werden. Nicht nur die Ansicht der Eltern, auch das Temperament des Kindes entscheidet, ob es sich von Beginn an mit der neuen Betreuungssituation wohlfühlt.
Ich kenne Kinder, die nur ungern in den Kindergarten gegangen sind. Sie wären sicherlich froh gewesen die ersten drei Jahre von ihrer Mutter betreut worden zu sein. Doch die Eltern können diese Entscheidung nicht nur nach den Befindlichkeiten ihres Kindes treffen, sondern müssen eben auch auf ihre eigenen Bedürfnisse hören. Wer mit einem Jahr (oder schon eher) wieder arbeiten gehen möchte, „muss da durch“. Und erst dann wird sich zeigen, wie das eigene Kind tickt und ob Eltern und Kind mit dieser Situation klar kommen.
Ich kenne Kinder, die nur ungern in den Kindergarten gegangen sind. Sie wären sicherlich froh gewesen die ersten drei Jahre von ihrer Mutter betreut worden zu sein. Doch die Eltern können diese Entscheidung nicht nur nach den Befindlichkeiten ihres Kindes treffen, sondern müssen eben auch auf ihre eigenen Bedürfnisse hören. Wer mit einem Jahr (oder schon eher) wieder arbeiten gehen möchte, „muss da durch“. Und erst dann wird sich zeigen, wie das eigene Kind tickt und ob Eltern und Kind mit dieser Situation klar kommen.
Wie seht Ihr das?
In der Linkparty für diesen Monat haben bereits zahlreiche Elternblogger ihre Erfahrungen zur Fremdbetreuung niedergeschrieben. Und eines wird dabei deutlich: es gibt nicht DIE eine Lösung.
Noch bis Ende des Monats könnt Ihr Eure Beiträge hier verlinken. Das müssen keine niegelnagelneuen Artikel sein, auch ältere Berichte sind gerne gesehen! Ich bin gespannt, was für individuelle Wege gesammelt werden!
Eure Wiebke
Anonym
Huhu,
Ich muss gestehen, das mich dieser erste Satz echt schwer trifft. Mein Sohn ist 1 jahr alt und wir haben vor ihn erst mit 3 Jahren in den Kindergarten zu schicken. Einfach weil ich mein kind nicht von fremden "erziehen" lassen will. Ich habe kein kind bekommen um es nach einem jahr abzugeben. klar, ich habs leicht. Mein Arbeitgeber ermöglicht mir home office, die oma wohnt um die ecke. Ich habe den Luxus das ich es mir leisten kann daheim bei meinem kind zu bleiben. Ich möchte die Chance nutzen, mich um mein kind kümmern und die Zeit genießen. Das das "an Kindesmisshandlung grenzt" finde ich unverständlich und unverschämt. Ich laufe meinem kind nicht wie eine glucke hinterher und schotte es vor anderen Menschen oder kindern ab! Wir gehen in eine krabbelgruppe, er spielt viel mit seinen Cousinen und cousins, mit den nachbarskindern etc. Sorry, aber ich fühl mich grade ein wenig persönlich angegriffen, deswegen reagiere ich vllt ein wenig über…
Ich will niemanden vorschreiben wie er sein kind betreut. Ob man gezwungen ist das kind früh fremd betreuen zu lassen oder ob man es einfach für das richtige hält. Jedem selbst überlassen!
Wiebke Verflixter Alltag
Hallo! Du darfst von dem Satz getroffen sein. Ich finde ihn auch sehr provokativ!! Ich denke jeder, der sein Kind drei Jahre zu Hause betreuen möchte, macht dies aus Liebe zu seinem Kind, eben, wie Du beschreibst, um eben so viel wie möglich von dem Kind mitzubekommen und in den wichtigen Jahren dabei zu sein. Wenn es in Krabbelgruppen geht und Verwandte zum Spielen da sind, ist das super!
Wie schon oben geschrieben: ich möchte keine Lebensweise kritisieren. Das ist mir ja gerade mit dem Satz, den der Bekannte gesagt hatte, klar geworden.
Viel Freude also mit der Betreuung Deines Sohnes!
LG Wiebke
Rosalie
Nun, der Satz ist das Äquivalent zu 'Ich habe keine Kinder bekommen, um sie von Fremden erziehen zu lassen.' Beides gleich beleidigend. Wer aber nicht beleidigt werden will, sollte das zuerst mal nicht anderen gegenüber machen.
Da liegt vielleicht genau das Problem. Statt dass man die anderen in Ruhe lässt und sich gar nicht wertend über deren Situation äußert, geht man gleich mal auf sie los und schlägt um sich.
kullerkind
Huhu… ein sehr sehr interessantes Thema, bei dem die Emotionen gerne überkochen. Ich durfte mir auch so einiges anhören… denn: mein Kind ging mit 14 Monaten in die Kita und das, obwohl ich 2 Jahre Elternzeit habe. Für uns die beste Entscheidung. Unser Kind wurde mit 6 Monaten Eingewöhnung mehr als sanft an die neue Situation gewöhnt.
Ich bewundere Mütter und Väter, die ihre Kinder 3 Jahre zu hause lassen können. Mir ist nach einem Jahr schon die Decke auf den Kopf gefallen. Dem Kind war es trotz Krabbel- und Spielgruppe, Spielplatz, Shopping Center, Freunden und Verwandten nur noch langweilig. Sie wollte hinaus in die Welt und dauerhaft mit anderen Kindern spielen.
Sie ist seitdem sie in den Kindergarten geht viiiiiel ausgeglichener. Sie lernt doch so viel und ist sehr glücklich dort. Außerdem geht sie "nur" 6 Stunden – also von halb neun bis 14.30 Uhr. Ab morgen beginne ich mein duales Studium und dann wird sie hin und wieder länger gehen. Dabei habe ich keinerlei schlechtes Gewissen.
Auch wenn ich mich wiederhole: ich frage mich manchmal wie Mamas 3 Jahre jeden Tag mit ihrem Kind oder ihren Kindern rum bekommen 🙂 Ich glaube ich würde wahnsinnig werden. Das soll kein Angriff sein.. denn auch hier gilt: jedes Kind und jede Familie ist anders. Für uns jedenfalls war das keine Option. Wir hätten einfach das Gefühl, dass sie etwas verpasst. Sie machen so tolle Dinge im Kindergarten, die ich ihr nur teilweise oder gar nicht hätte ermöglichen können. Unsere Maus spricht mit ihren nun 2 Jahren sehr gut und erzählt nur viele positive Dinge vom Kindergarten. Von ihren Freunden dort, wie sehr sie die Erzieher lieb hat. *hach* Das bestätigt uns immens.
Daher kann ich den Satz von deinem Bekannten irgendwie schon verstehen… auch wenn er sehr hart klingt. 🙂
Wiebke Verflixter Alltag
Da denken wir scheinbar ähnlich. Wirbelwind war zu Hause auch nicht mehr zu bändigen. Auch wenn es paradox klingt: die Qualität unserer Beziehung hat sich, seitdem sie in den Kindergarten geht, deutlich gebessert. Lieben Gruß und viel Erfolg im dualen Studium!
Juliane
Kindesmisshandlung? Ernsthaft? Mit solchen Worten sollte man aber mal ganz vorsichtig sein!
Abgesehen davon halte ich das für Blödsinn. Wusstet ihr, dass der erste Kindergarten 1840 gegründet wurde? Das ist keine 200 Jahre her und davor haben alle Kinder und alle eltern es wunderbar zusammen ausgehalten, ohne vor Langeweile zu sterben.
Man könnte die Frage auch andersherum stellen: wie spannend ist es den, jeden Tag am selben Ort mit denselben Spielsachen eingesperrt zu sein? Mit mindestens 15 anderen Kindern + Erwachsenen, was mir definitiv zu laut wäre. Und überhaupt keine
Möglichkeit zu haben, den Tag mitzubestimmen. Wäre jetzt für mich nix.
Viele Grüße
Juliane
Tina
‚Davor haben es alle Kinder und alle Eltern wunderbar zusammen ausgehalten‘
Sorry, aber nein. Früher vor 200+ Jahren war das Kind im Allgemeinen nicht viel wert. Zudem waren es oftmals viele Kinder. Und die wurden schon als kleine Steppkes auf die Straße geschickt, damit die Mutter Zeit hatte, Haushalt und evtl Hof zu erledigen. Selbst meine Oma erzählt von vor 50-60 Jahren noch solche Geschichten. Auch mein Schwiegervater mit 6 Geschwistern weiß ähnliches zu berichten.
Was aber auch in der Neuzeit (letzte 30 Jahre) Fakt ist: hier in Baden-Württemberg ging man mit 3 in den Kindergarten. Es gab nichts anderes! Kita, Krippe, verlängerte Öffnungszeiten, Ganztagesbetreuung, Essen im Kindergarten (oder auch Schule), das ist alles erst in den letzten 10 Jahren gekommen.
Und ja, ich mag mit meinen 36 Jahren altbacken denken: ich halte diesen Trend für gefährlich. Gefährlich für die Kinder (weil alle, die es sich nicht leisten können, in das System gepresst werden), gefährlich für die Eltern, die später definitiv bedauern werden, nicht mehr Zeit mit ihrem Kind verbracht zu haben.
Ich bin dankbar dafür, dass wir es uns finanziell leisten können, dass ich für meine bald 4 Kinder da bin. Und selbst mein Großer mit 16 genießt es, heimzukommen und ein selbstgekochtes Essen auf dem Tisch stehen zu haben. Wir haben Familienzeit jeden Tag. Und wer das kennengelernt hat, wird es vermutlich nicht missen wollen.
Klara
Habt genug Selbstvertrauen, macht was zu Euch passt und was Ihr für richtig haltet und steht dazu.
In der Erziehung gibt es für jedes Vorgehen eine Batterie von Expertenratgebern als Begründung, die sich oft diametral widersprechen. Eine Metastudie, in der alle greifbaren modernen Erziehungsratgeber untersucht wurden, kam zu dem Schluss, dass es nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner gibt, der in folgenden drei Axiomen gipfelt:
1. Kinder müssen genug zu essen kriegen.
2. Man soll sie nicht mit der Bratpfanne verprügeln.
3. Sie sollen nicht im Kleiderschrank aufwachsen.
Fazit: Nicht von Besserwissern verarschen lassen!
Fromm
So etwas zu sagen zeugt von unendlicher Dummheit. So eine Aussage zu verbreiten, auch wenn diese in nachdenkliches Philosophieren verpackt ist, ist sehr grenzwertig.