Es ist 24 Uhr. Ich sitze an meinem PC und muss mir die Seele vom Leib schreiben, um den Tag zu verarbeiten. Er sitzt mir tief in den Knochen. Ich fühle mich plötzlich wieder schwanger, wo mein Körper an anstrengenden Tagen mit Wirbelwind so geschwächt war, dass ich abends ächzend und knarksend erst aufs Sofa und dann ins Bett fiel. Ja, das Leben ist kein Ponyhof, nicht mit einem Kind und erst recht nicht mit Baby obendrauf.
Mammutprogramm
Eigentlich wollte ich heute morgen gar nicht erst aufstehen, denn ich wusste es würde anstrengend werden. Wirbelwind benahm sich heute gut und so kamen wir pünklich aus dem Haus. Wölkchen war ebenfalls ganz gut drauf, zumindest bis wir in das Auto stiegen. Packt man sie zu Hause in den Autositz, ist sie noch ruhig. Sobald man den Sitz dann in das Auto verfrachtet, brüllt sie los. So auch diesmal. Nachdem Wirbelwind in ihrer Lieblingskinderverwahrungsanstalt abgegeben wurde, fuhr ich mit entsprechender Geräuschkulisse zur Rückbildung. Meine Hoffnung, dass sie auf der Fahrt einschlafen würde, zerschellte beim Ausstellen des Motors am Bestimmungsort. Gut, dann würde sie eben neben mir auf der Matte liegen und mir etwas beim Sport zugucken. Haha, denkste.
5 Minuten nach Start der Mama-Quäl-Stunde wurde sie unruhig. Die Hebamme, die den Kurs leitet (und auch gleichzeitig meine Nachsorgehebamme war), riet mir nochmal anzulegen. Ich wusste es besser. Wölkchen war übermüdet und von dern fremden Umgebung überreizt. Doch ich versuchte es. Mit dem Ergebnis, dass sie nichts trank und nur noch aufgebrachter war. Die Hebamme hatte Einsicht und bot an sich Wölkchen im Tragetuch vorne dranzuschnallen. Gesagt getan. Und obwohl Wölkchen sonst im Tragetuch einfach einschläft, fing sie nun an zu brüllen, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte. Die Hebamme lief vielleicht fünf Minuten mit der Maus herum, ehe ich es mir nicht mehr anhören konnte und sie wieder in Empfang nahm. Ich verschwand in den abgedunkelten Flur, wo sie sich im Fliegergriff wieder beruhigte und von der kräftezehrenden Empörung etwas vor sich hin schluchzte. Die Hebamme sah das ruhige Baby und meinte, sie könne sie ja in dieser Position übernehmen, damit ich ein paar Übungen mitmachen kann. Doch wieder brüllte Wölkchen los. Also verschwand ich wieder im Flur und wiegte sie allmählich in den Schlaf. Nachdem ich sie in die Babyschale abgelegt hatte, dort unter Protest weitergerüttelt hatte und sie tatsächlich richtig schlief, konnte ich noch 10 Minuten mitturnen, ehe die Rückbildung zu Ende war.
Ich fuhr schnell nach Hause, damit Wölkchen während der Autofahrt zur Abwechslung mal schlief und nicht schrie. Vor der Haustür angekommen öffnete Wölkchen nach ihren 30 Minuten Standardschlaf noch im Auto die Augen und schrie erneut los. Ja, das blöde, blöde Auto. Sie beruhigte sich zwar dann wieder, doch irgendwie gut drauf war sie nicht. Denn schon mehrere Stillversuche später (zur Zeit trinkt sie fast ausschließlich nur im Liegen) wurde sie wieder quenglig. Und so schnappte ich mir das Tragetuch und ging raus. Ganze 45 Minuten brauchte es, ehe sie darin unter Protest einschlief. Ich hatte schon befürchtet, dass sie gar nicht mehr darin schlafen würde, gebrandmarkt vom Vormittag, aber irgendwann gab sie nach. Dort verweilte sie dann zwei Stunden (aua, mein Rücken!). In der Zeit entstand auch das Titelfoto.
Trotz der 2 Stunden Schlaf war Wölkchen nicht wirklich besser glaunt. Immer wieder steckte sie ihre Finger in den Mund und sabberte so viel wie noch nie. Sie lässt sich vom Zahnen deutlich mehr aus der Fassung bringen, als Wirbelwind damals. Nach einer Stunde Ruhe und Milch auftanken ging es erneut ins Auto. Wirbelwind hatte Kindersport. Natürlich schrie auch jetzt Wölkchen die gesamte Autofahrt über und verstummte, sobald man sie aus dem Auto nahm. Ein Phänomen. Beim Kindersport hatte Wirbelwind ihren Spaß. Parkour ablaufen, mit Mama (und Baby im Arm) um die Wette laufen, in Reifen springen, Tücher haschen und zum Schluss sogar Seifenblasen machen. Während sie freudestrahlend umhersprang, schaukelte ich das Baby durch den Raum. Sie dachte gar nicht daran einzuschlafen, auch nach 3 Stunden Wachphase nicht. Auf dem Rückweg im Auto gab sie tatsächlich nach 5 Minuten Geheule Ruhe, zumindest bis Wirbelwind einen Zug entdeckte, der die Gleise neben uns entlangfuhr. „Zug!!!!“ brülle sie durchs Auto und Wölkchen stimmte sogleich wieder mit ein. Zu Hause angekommen surrten mir die Ohren. Der Papa fing uns vor der Haustür ab, nahm die Babyschale entgegen und schüttelte Wölkchen in den Schlaf. Wirbelwind, die schon den ganzen Nachmittag alles doof fand (außer den Sport), heulte im Treppenhaus eine Runde, weil sie wegen dem Regen nicht mehr auf den Spielplatz konnte. Ich hatte keine Geduld mehr und ging nach oben. Der Mann und ich tauschten heute die Rollen: er war der gute und ich der böse Cop. Mir brummte der Schädel. Der Mann brachte Wirbelwind ins Bett, ich stillte das inzwischen wieder wache Baby, das auch irgendwann in den Nachtschlaf verfiel und schlummerte gleich mal zwei Stunden mit. Doch der Tag beschäftigte mich zu sehr, so dass es mir in den Fingern juckte. Also bin ich doch noch aufgestanden, um meine Erlebnisse niederzutippen. Et voilà!
Tagesbilanz
Zwei ganz unterschiedliche Dinge haben mich an diesem Tag beschäftigt. Einerseits fühle ich mich meinem Wölkchen etwas näher verbunden, als ich es eh schon war, andererseits hat es mich nachdenklich gemacht.
Näher verbunden fühle ich mich deshalb, weil selbst meine Hebamme Wölkchen nicht beruhigen konnte. Die Hebamme, die unter uns Mamas als „Babyflüsterin“ bezeichnet wird. Du hast einen miesen Tag und dein Baby trinkt nicht? Lass die Hebamme kommen (oder telefoniere einfach mit ihr) und das Baby trinkt als hätte es zuvor ein Kilo Salzstangen gefuttert. Und eben diese Hebamme konnte gegen mein Baby nichts ausrichten. Nur ich (und erstaunlicherweise auch der Papa) dürfen sie im Tragetuch umhertragen. Nur in meinen Armen lässt sie sich beruhigen. Nur von mir, meiner Stimme, meinem Duft. Mein Baby weiß eben, was gut ist.
Nachdenklich bin ich geworden wegen dem, was mir die Hebamme auf Grund ihres „Scheiterns“ gesagt hatte. Damals im Wochenbett, als ich ein paar Tage nach der Geburt merkte, dass das Baby wohl genauso anstrengend werden würde, wie Wirbelwind damals, also schlecht trank und schwer schlief, tat meine Hebamme dies noch ab mit den Worten: „Irgendwie sind Babys doch alle gleich.“ oder „Es ist doch alles gut bei Euch“. Es sollte mich zwar aufmuntern, aber ich fühlte mich damit nur noch mehr allein gelassen. Und nun die Genugutuung: sie sagte tagsächlich die Worte: „Manche Babys sind eben anspruchsvoller und haben größere Bedürfnisse“. Das Wort „High-need“ nahm sie zwar nicht in den Mund, aber es schwang mit. Und schwang und schwang und schwang. Selbst jetzt noch hallt es in meinem Ohr nach.
Ich selbst habe mich nie damit beschäftigt, was ein „High Need Baby“ ist. Klar habe ich von anderen Bloggerinnen bereits davon gelesen, aber ich wollte nicht voreingenommen in die Beziehung zu meinem Baby reingehen. Und so habe ich Wölkchen bislang zwar als anspruchsvolles Baby erlebt, das schnell überreizt ist, aber mehr nicht. Inzwischen weiß ich, dass ziemlich viele Babys genauso ticken, viel mehr, als man beim Start der Kinderplanung ahnt. „High Need“ hin oder her. Ich weiß die nächsten Monate werden nochmal anstrengend werden. Wenn Wölkchen nach Wirbelwind kommt, sind der fünfte und sechste Monat zum „In-die-Tonne-kloppen“. Aber ich weiß ja, dass es besser wird.
Und irgendwann kann ich vielleicht sogar mal einen Blogbeitrag am Tage schreiben, und nicht mitten in der Nacht 😉
Eure Wiebke
Rubbelmama
Oh, ich kann dich so gut verstehen! Ich war gestern auch in der Rückbildung und nach über einer Stunde den anderen Müttern zusehen, wie sie sich wieder in Form bringen, war ich den Tränen nahe.
Und im Auto brüllt er auch wie am Spieß, genau wie bei euch…bis man ihn rausnimmt, dann ist sofort Ruhe…Generell weint er wenig, solange er direkt am Körper getragen wird. Es macht mir Mut, dass du das schon einmal durch hast und dass es besser wird 😉
Wiebke Verflixter Alltag
Ja, das wird es. Nur war bei Wirbelwind das Autofahren nie ein Problem. Da hoffe ich, dass sich das auch noch legt. Wir werden sehen. Lieben Gruß, Wiebke
Frühlingskindermama
Meine Liebe,
ich glaube, wenn man dem Ganzen einen Namen gibt und es annimmt, ist man schon ein ganzes Stück weiter. So ging es mir jedenfalls. Nach allem, was Du seit ihrer Geburt schreibst, ist sie ein High-Need-Kind. Das ist mega anstrengend, in unserem Falle auch noch auf Jahre hinaus. In Deinem Fall nochmal extra mit dem größeren Geschwisterkind. Aber wenn man es weiß und ein paar wichtige Dinge beherzigt, dann pendelt man sich irgendwie ein. Wie gesagt, wichtig sind Struktur, Ruhe und ein möglichst immer gleicher Tagesablauf. Vor allem das rechtzeitige Zum-Schlafen-Bringen ist entscheidend und dass so ein Kind so lange wie möglich schläft, egal wie. Wenn sie also im Tuch am besten schläft, dann musst Du sie im Tuch herumtragen, so lange, bis sie von selbst aufwacht. Wenn sie übermüdet ist, dauert das Einschlafen umso länger und der Protest wird stärker, wenn Du willst, dass sie einschläft. Man kann mit so einem Kind nicht viel anderes machen, weder für sich noch für den Haushalt. Nachmittags mit der Großen, das stelle ich mir wahnsinnig schwer vor. Das hätte bei uns nicht funktioniert. Insofern Hut ab, dass Du das so durchhältst. Und gut, dass die Nächste wenigstens erträglich sind, das war bei uns nicht der Fall. Und ich sage lieber nicht, bis zu welchem Alter mein Großer im Auto geschrien hat;). Beim Zahnen, bei Krankheiten und Schüben hat er extrem gelitten und war noch unleidlicher als ohnehin schon. Ich habe keinerlei Kurse mit ihm zusammen gemacht und einen furchtbar langweiligen, gleichbleibenden Tagesablauf mit ihm etabliert. Für eine Mama ätzend, für solch ein Baby genau richtig. Es geht eigentlich nur mit viel Entlastung (die wir nicht hatten). Kann sie während der Rückbildung jemand anderes im Tragetuch herumtragen oder im Kiwa herumfahren? Kann Wirbelwinds Kindersport jemand anderes übernehmen? Das ist der Kleinen alles viel zuviel, erst recht, wenn sie müde und überreizt und schlecht drauf ist. Genauso wie die Zugfahrt letztens, Familienfeiern und andere Termine. Du kannst mit so einem Kind vieles nicht machen, damit muss man sich leider abfinden. Und vor allem nicht alles allein schaffen. Das stresst euch alle 3.
Hast Du schon einen halbwegs festen, durchstrukturierten, gleichbleibenden Tagesablauf geschaffen? Buchtipp hatte ich Dir ja schon bei Twitter gelassen (William Sears: Das 24-Stunden-Baby). Ich wünsch Dir gute Nerven und viel Hilfe. Es ist sau-anstrengend!
Ganz liebe Grüße!
Wiebke Verflixter Alltag
Liebe Frühlingskindermama,
vielen lieben Dank für Deinen ausführlichen Kommentar und die hilfreichen Tipps.
Ich versuche es nächste Woche einmal, dass Wölkchen ausgeschlafen zum Rückbildungskurs kommt. Vielleicht erinnert sie sich auch etwas an die Räumlichkeiten und ist dann nicht ganz so durcheinander. Auf die Rückbildung verzichten möchte ich deswegen aber nicht.
Ich merke, dass Wölkchen schnell überfordert ist und ich nicht zu viele Aktionen an einem Tag machen kann. Aber um ehrlich zu sein: komplett aus der Gesellschaft zurückziehen, dafür bin ich nicht bereit. Dann nehme ich es lieber in Kauf, dass ich sie in der Zeit viel Tragen muss, dafür bin ich aber unter Menschen, kann mich mit Freunden zum Essen verabreden beispielsweise. Das klingt etwas Egoistisch, ist für mich aber sehr wichtig. Ich versuche aber nun maximal einen Auswärtstermin pro Tag anzuvisieren, um es nicht zu übertreiben (außer die normalen Kita-Bring- und -Abholspaziergänge). Aber das ist ja auch quasi schon Routine und wird für Wölkchen sicherlich auch bald zur Gewohnheit.
Wir werden sehen, wie es sich weiter entwickelt. Heute war sie beispielsweise ganz gut drauf, ließ sich auch auf dem Sofa stillen (nicht nur im Bett), lag viel alleine rum und weinte wenig, sogar in der Arztpraxis schäkerte sie mit den anderen Leuten. Nur den Pieks mochte sie nicht, aber wer mag das schon! Ich bin also guter Hoffnung, dass solche Tage, wie der am Dienstag nicht zur Regel werden.
Ganz lieben Gruß, Wiebke