Vorhin noch hatte ich mir die Wettervorhersage angesehen und wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass es heute sonnig und warm werden würde, ein schöner Herbsttag stand bevor. Gleichzeitig sah ich, dass es die nächsten Tage regnen würde und dann die Tagestemperaturen im einstelligen Bereich liegen würden. Der Winter klopfte an und der heutige Tag vesprach der letzte schöne, warme Tag in diesem Jahr zu werden. Ihn zu genießen, das nahm ich mir vor.
Und so ging ich mit Wölkchen im Kinderwagen nach draußen. Sie war noch nicht müde, aber das war egal. Ich wollte Sonne tanken. Wölkchen schien sich von meiner guten Laune anstecken zu lassen. Sie gluckste und lachte, als hätte sie vergessen, dass sie erst gestern an genau diesem Ort bitterliche Tränen geweint hatte. Nun hielt sie ihren Beißring fest umklammert, studierte ihn eingehend und biss neugierig auf dem Glöckchen herum.
Ich sog die kostbaren Momente in mich auf. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, Leute gingen mit ihren Hunden spazieren oder Mütter schoben ihre Kinderwägen vor sich her. Man könnte meinen es sei ein Frühlingstag gewesen, so fröhlich, so ausgelassen war die Stimmung, wenn nicht im Minutentakt mit einem lauten „Plopp“ Kastanien von den Bäumen gefallen wären.
Ich setzte mich auf eine Bank und schaute Wölkchen beim Studieren des Beißrings zu und las in einem Buch. Irgendwann wurde sie müde und ich schob ein wenig den Kinderwagen durch den Park. Wölkchen starrte auf das sonnengeflutete Segel und inspizierte die lustigen Muster an der Innenseite des Kinderwagens. Irgendwann, ohne einen Mucks von sich zu geben, schloss sie die Augen.
Erneut ließ ich mich auf der Bank nieder und lauschte den herabfallenden Kastanien, den bellenden Hunden, den vorbeifahrenden Autos. Das Laub raschelt über den Boden, angestups vom leichten, milden Wind.
In diesem Moment bin ich so dankbar, dass mein Handy vor drei Tagen den Geist aufgegeben hatte. Es beschützte mich nun davor die Augen zu verschließen vor der Schönheit des Momentes. Statt im Internet zu surfen las ich ein Buch zu Ende, „Ein geschenkter Tag“ von Anna Gavalda. Und genau dieses vergängliche Glücksgefühl, das sie dort beschreibt, trage ich nun in meinem Herzen. Den Tag genießen, gerade deshalb weil man weiß, dass es (zumindest in diesem Jahr) nicht noch einmal so werden wird. Hätte ich die Wettervorhersage nicht geschaut, ich hätte ihn wohl einfach vorüberstreichen lassen, den wunderschönen Moment.
Und nun, wo ich die Zeilen niederschreibe, komme ich ins Grübeln. Ja, es war ein schöner Augenblick, den ich sehr genossen habe. Aber sollte man nicht immer so durchs Leben gehen? Sollte man nicht immer die Schönheit der Natur wahrnehmen und würdigen? Sollte man nicht immer dankbar sein für das, was man Tag für Tag erleben darf? Sollte man nicht immer denken, der jetzige Moment könnte etwas ganz Besonderes sein, man muss es nur zulassen?
Es ist nicht immer leicht, gerade dann, wenn andere Gefühle genau diese Leichtigkeit wie dunkle Schatten überdecken. Aber ich nehme es mir vor. Ich gelobe Besserung. Und Ihr?
Eure Wiebke