„Deine Kinder sind doch nun aus dem Gröbsten raus!“
Irritiert schaue ich meinen Gegenüber an. Dann lasse ich meinen Blick über meine Jüngste schweifen, die gerade auf dem Spielplatz über eine Bank klettert. Aus dem Gröbsten raus? Meine Kinder sind drei und sechs Jahre alt. Da stecke ich doch noch mitten drin. Knietief mindestens. Vielleicht nicht mehr Oberkante Unterlippe, aber die Beine, die sind noch in diesem Du-hast-keine-Freizeit-weil-deine-Kinder-noch-so-klein-sind-Karussell vergraben.
Ich erinnere mich an meine Schwester, die sich für ein drittes Kind entschied, als ihre „Großen“ 4 und 6 Jahre alt waren. „Sie sind doch jetzt aus dem Gröbsten raus“, antwortete sie mir, als sie mir ihre Entscheidung erklärte. Auch hier war es bereits offensichtlich, dass ich eine wohl etwas andere Vorstellung davon habe, was diese Floskel zu bedeuten hatte.
„Für mich sind sie aus dem Gröbsten raus, wenn sie den Schlüssel zu ihrer eigenen Wohnung in der Hand halten.“, antworte ich salopp meinem Gesprächspartner auf dem Spielplatz. Doch stimmt das? Was heißt das überhaupt, „aus dem Gröbsten raus“?
Was heißt das, „aus dem Gröbsten raus“?
Was heißt es denn nun? Was ist dieses „Gröbste“, und wie kommen diese Kinder da heraus? Im lieben, weiten Internet* findet man für „das Gröbste“ eine Umschreibung als eine „raue, unbequeme Zeitspanne“. Aus dem Gröbsten heraus ist man damit, wenn man das Schwerste überwunden hat. Tja nun. Was ist unbequem?
Die Krux bei der Sache ist wohl, dass das jeder anders sieht. Die Einen sind froh, wenn die Kinder endlich laufen können, die Nächsten atmen auf, wenn sie den Windeln im Regal nur noch aus der Ferne zuwinken dürfen und die Dritten wiederum sehen die Verantwortung, die so ein Kinderleben mit sich bringt, als etwas so Grundlegendes an, dass sie quasi nie ihren Kindern das Herauswachsen aus dem Gröbsten zugestehen vermögen.
Nach reiflicher Überlegung kann ich folgende Punkte für mich zusammenfassen, die zeigen, dass ich bei meinen Kindern“das Gröbste“ überwunden habe:
- Freizeit zurück bekommen, weil das Kind nicht mehr nonstop an der Mutter hängt (bei uns mit Eintritt in die Kinderkrippe)
- Kinder nicht mehr von A nach B tragen müssen (bei Wölkchen durchaus auch mit 3 Jahren noch ein Thema)
- nicht mehr das Kind von Vorne bis Hinten bedienen müssen – d.h. sie decken auch mal für die Familie den Tisch und tragen ihr Spielzeug selber, wenn man einen Ausflug macht (so ab 3 Jahre möglich)
- Verantwortung an das Kind abgeben – z.B. Dreckwäsche nicht im Raum verteilen, sondern bis zum Wäschekorb schaffen; vor einer Reise den Koffer selber packen (allerdings mit Risikofaktor verbunden) (kann man von Sechsjährigen durchaus verlangen)
- Den Hintern nicht mehr abwischen müssen (ich warte noch…)
- Kinder kurze Wege alleine gehen lassen – z.B. zu Schule und Bäcker (ab sechs möglich, abhängig vom Weg)
- Kinder auch mal alleine im Zimmer spielen lassen können, ohne dass sie Möbel anmalen oder ihre Spielküche fluten (klappt bei uns leider auch mit sechs Jahren noch nicht)
- Kinder auch mal alleine zu Hause lassen, wenn man unterwegs schnell etwas besorgen muss (ab sechs Jahren, vorausgesetzt die Kinder können ein Tablet bedienen, damit nicht der vorige Punkt eintritt)
Soweit zu meinen eigenen Gedanken. Aber wie seht Ihr das?
Ab wann sind Kinder aus dem Gröbsten raus?
Klar sieht das jeder anders und sicherlich hängt es nicht nur davon ab, wie zart besaitet die Eltern sind, sondern auch welche Persönlichkeiten die Kinder mitliefern. Aber gibt es ein Alter, in dem die Mehrheit der Eltern das Gefühl hat, jetzt haben sie das Schlimmste überstanden? Auf Twitter hatte ich ich diese Frage gestellt. 206 User haben darauf geantwortet.
Frage: Ab wann sind Kinder für Euch aus dem Gröbsten raus?
Ich habe mich sehr über die rege Beteiligung und Diskussion gefreut. Alle Antworten könnt Ihr hier nachlesen. Besonders interessant fand ich, dass die Wenigsten mit einem Jahr den magischen Schnitt sehen (4%). Immerhin ca. 1/4 der Befragten sahen die 3-Jahres-Marke als das Sprungbrett aus der „groben“ Zeit. Und knapp 30 Prozent waren der Ansicht, dass frühstens mit 12 Jahren, manchmal sogar nie, so die Kommentare unter dem Tweet, aus dem Gröbsten raus sind. Die Mehrheit sprach sich für das Alter ab sechs Jahren aus (41%). Zu dieser Gruppe würde ich mich auch zählen.
Generell sprachen sich Viele aber dafür aus, dass es eben auch vom Typ abhängt: Vom Typ der Eltern UND des Kindes. Oder wie Schnuppismama sagte: „Es ist so unterschiedlich wie die Kinder selbst.“ Aber zugegeben: jedes Alter hat so seine Tücken und Vorteile. Oder wie Lady Sparfuxx sagt: „Es wird nur anders.“ Hier ein Versuch zur Übersicht.
Das Gröbste bis zum ersten Lebensjahr
Das Allergröbste geschieht sicherlich im ersten Lebensjahr. Von einem Würmchen, das ganz und gar auf seine Eltern angewiesen ist, Tag und Nacht, wird im Laufe der ersten 365 Tage ein Wesen, das den Eltern auch mal ein paar Minuten (und Nachts ein paar Stunden) Zeit zum Durchschnaufen gewährt.
Das Gröbste bis zum dritten Lebensjahr
Kinder zwischen eins und drei Jahren sind eine immense Herausforderung. Nicht nur, dass du einem äußerst mobilen Kind erst die Windeln überstülpen und schließlich abgewöhnen musst/willst/darfst. Du musst auch noch mit einem dickköpfigen Kind konkurrieren, das mindestens 10 Mal am Tag eine deutlich andere Meinung hat als Du. Zum selben Thema, versteht sich.
Das Gröbste bis zum sechsten Lebensjahr
Nun gut, Windeln muss man hier kaum noch wechseln. Aber wenn man Pech hat, dann muss man Kackschlüpfer auswaschen, weil das Kind es nicht rechtzeitig aufs Klo geschafft hat. Die Kinder werden so selbstständig, dass sie alles alleine machen wollen und dürfen, und dabei aber noch so viel schief geht (z.B. Getränk in einen Becher kippen), dass man das Gefühl hat, aus der Arbeit gar nicht mehr heraus zu kommen. Diskutieren, wischen, wachsen, und dann wieder von Vorne.
Das Gröbste bis zum 12 Lebensjahr
Da hat man es mit so einem Schulkind deutlich besser. Jetzt lernen sie Lesen und Schreiben. Das ist doch toll! Jetzt können sie mit ihren Freunden chatten und sich selber verabreden. Und manchmal, ja da übernachten sie auch noch bei ihnen. Bedeutet allerdings auch im Umkehrschluss, dass man selber manchmal die Bude voll hat mit Kindern ohne deren Eltern. Sie lernen Verantwortung für sich zu übernehmen und kurze Wege alleine zu gehen, z.B. zur Schule oder zum Verein. Die Last der Eltern liegt hier wohl eher in der Frage, wie viel Verantwortung nun noch bei ihnen bleibt, und was die Kinder bereits selbst entscheiden dürfen.
Und danach
Nerd oder Geek meinte treffend: „Ab 12 ist es fast wie WG mit anstrengende Mitbewohner*innen. Grundsätzlich können sie fast alles, machen es nur nicht.“ Ich denke diese Worte lasse ich hier einfach mal für sich stehen.
Ihr seht, so richtig aus dem Schlamassel mit der Elternschaft kommt wohl nie raus. Auch nicht, wenn die Kinder bereits erwachsen sind, hab` ich mir sagen lassen. Oder wie Raummann Fidibus einen bekannten Spruch zitiert: „kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen“. Aber das Gröbste, das haben wir bald geschafft. Ganz bestimmt.
Eure Wiebke
Wann sind die Kinder Eurer Meinung nach aus dem Gröbsten raus, und woran macht Ihr das fest?
Beiträge zum Thema können gerne in der Kommentarfunktion verlinkt werden.
*Im Speziellen beziehe ich mich auf die Seite www.redensarten-index.de
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Sonja
Ich liebe deine
Art zu schreiben ? erfrischend ehrlich ohne den frisch lackierten super-mom-kram über den man sonst so stolpert!!
Weiter so ?
Liebe Grüße
Sonja
https://die-gedanken-sind-frei.home.blog/
Froggy
Ich bin kinderlos. Mir tun die Kinder leid, wenn die Eltern die meisten Jahre mit ihnen als so „grob“ empfinden.
verflixteralltag
Das Sprichwort ist an dieser Stelle natürlich nicht wörtlich zu nehmen.
😉