Muttersein als Kompetenzentwicklung

Man hört manchmal: „Frauen sind die besseren Führungskräfte“. Diese Aussagen beziehen sich speziell auf die emotionale Intelligenz, die eher dem weiblichen als dem männlichen Geschlecht zugeordnet wird. Sie beschreibt die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und zu beeinflussen. Doch ich meine etwas anderes und behaupte, dass die Mutter- bzw. Vaterschaft Kompetenzen fördert, die für eine Führungskraft von grundlegender Bedeutung sind. 

Wichtige Eigenschaften moderner Führungskräfte

Doch von Vorne. Welche Eigenschaften sind denn überhaupt bei Führungskräften gefragt? In einem Artikel des Harvard Business Managers fand ich die 10 wichtigsten Eigenschaften einer modernen Führungskraft, welche ich stellvertretend hier einmal anführen möchte. Diese lauteten wie folgt:

  • ausdrucksstark
  • plant für die Zukunft
  • entscheidungsfreudig
  • besonnen
  • geduldig
  • widerstandsfähig
  • loyal
  • kooperativ
  • flexibel
  • intuitiv

Kommt mir irgendwie bekannt vor. Euch auch? Wo hab ich das nur schonmal gehört?… Ach ja: in meinem täglichen Leben. Denn genau diese Anforderungen werden ständig an mich gestellt. Und da stellt sich mir die Frage: 

Ist Muttersein eine Kompetenzentwicklung?

Welche Fähigkeiten erwerben Mütter und Väter im Zuge ihrer Kinderbetreuung? Ich selber habe gemerkt,
wie mich das Muttersein gewandelt hat, wie es mein Selbstbewusstsein
gestärkt und die Sicht auf die Dinge der Welt verändert hat. Ich bin
selbstsicherer, offener, emotionaler, flexibler, ausdauernder,
belastbarer, geduldiger und achtsamer geworden. Zumindest empfinde ich
es so. Aber auch mein Chef hat bereits eine Veränderung an mir bemerkt. Meine Mutterschaft hat sozusagen meine Kompetenzen erweitert,
entwickelt, verändert. Schauen wir uns das doch einmal am Beispiel unserer 10 wichtigsten Führungseigenschaften an:

Quelle: pixabay.com
Ausdrucksstark: Das Mimenspiel verändet sich bereits kurz nach der Geburt, wenn man das erste Mal sein Kind in den Händen hält. Plötzlich werden große Augen gemacht, die Zunge herausgesteckt, Grimassen geschnitten, um dem Kind eine Reaktion zu entlocken. Es ist die beste Übung, um auch gegenüber seinen Mitarbeitern oder Kunden ausdrucksstark gegenübertreten zu können. Naja, einige Grimassen sind in Teamsitzungen vielleicht nicht so angebracht!

Plant für die Zukunft: Das Kind ist noch nicht einmal auf der Welt, da muss es bereits für den Kindergarten angemeldet sein, um einen der begehrten Plätze zu sichern. Es muss geplant werden, welche Ausflüge man am Wochenende macht, ohne den Mittagsschlaf des Kindes zu übergehen. Oder der Brei muss drei Stunden vorher erhitzt und in einen Wärmebehälter gefüllt werden, damit der Nachwuchs pünklich zum Mittagessen seinen warmen Brei genießen kann, unabhängig von einer Mikrowelle oder einem Kochtopf. Wer hier nicht plant, der hat verloren. Und ist nicht allein die „Produktion“ eines Babys ein riesen planerischer Schritt für das eigene Leben überhaupt?

Entscheidungsfreudig: Schon in der Schwangerschaft wird man mit hunderten von Entscheidungen konfrontiert: wo soll das Kind zur Welt kommen, wie soll es geboren werden, wer dabei sein? Dann muss man entscheiden, ob das Nabelschnurblut eingefroren werden soll, ob das Baby Augentropfen erhalten soll und später auch Impfungen. Es muss entschieden werden, ob über die Ferse Blut entnommen werden darf, wann und ob man das Kind zum Stillen anlegt. Und da sind erst ein paar Lebensstunden des Babys vergangen! Im Laufe des kindlichen Lebens muss man Millionen von Entscheidungen treffen. Wer da nicht entscheidungsfreudig ist (bzw. wird) hat verloren.

besonnen und geduldig: Google definiert Besonnenheit als überlegte, selbstbeherrschte Gelassenheit. Spätestens wenn das Kind in die berühmte Trotzphase kommt, wird diese Eigenschaft gefordert (und gefördert?). Das Kind bekommt seinen zehnten Wutanfall innerhalb von einer Stunde? Ruhig bleiben. Das Kind verweigert die Milch, obwohl sie gerade eben noch danach verlangt hat? Beherrscht bleiben. Das Kind ignoriert gekonnt alle Aufforderungen, doch endlich den Spielplatz zu verlassen? „ohmmmm“. Wer bei einem zweijährigen Kind besonnen und geduldig bleibt, kann auch Mitarbeiter locker um den Finger wickeln.

widerstandsfähig: Und genau das macht uns auch widerstandsfähig. Wir lernen bestimmt Dinge nicht zu sehr an uns herankommen zu lassen: die wilden Schreie des Kindes, die trotzigen Schläge nach der Mutter, die vollgeschissenen Windeln.

loyal: Wir lernen als Eltern loyal gegenüber unseren Kindern zu sein, Verantwortung für ein Wesen zu übernehmen. Und vielleichth wird auch die Verbundenheit zu unseren eigenen Eltern gestärkt, weil wir verstehen, was sie in ihrem Leben mit uns geleistet haben. 

kooperativ: Gleichzeitig wissen wir was es heißt auf andere angewiesen zu sein. Wir lernen den Nutzen der Gemeinschaft, den Zusammenhalt unter Müttern oder die Hilfe von Hebammen und Ärzten. Auch die Beziehung zwischen Mutter und Vater entwickelt sich zu einer ganz besonderen Art der Kooperation.

flexibel: Wir sind gerade mit dem Baby im Einkaufszentrum und es bekommt Hunger? Kein Problem, da wird eben in der Umkleidekabine gestillt. Oder das Kind schreit sich die Seele aus dem Laib, weil es mal wieder irgendeinen Schub hat? Dann wird spontan ein Spaziergang mit Kinderwagen oder Tragetuch eingelegt, in Schlafanzug und Pantoffeln. Wenn das nicht flexibel ist.

intuitiv: Wir lernen was es heißt intuitiv zu handeln. Denn wir als junge Mütter sind darauf angewiesen im Umgang mit unserem Kind, auch wenn manche Erziehungsratgeber diese Intuition kippen könnten.

Es sieht also ganz so aus, als würden wir Mütter und Väter die besten Voraussetzungen für eine Führungsposition mitbringen. Wäre es da nicht zielführend Nachwuchsführungskräfte in solche Entwicklungsmaßnahmen zu schicken? Jede angehende Führungskraft egal welchen Geschlechts müsste quasi als Bedingung vor dem Aufstieg ein Kind zur Welt gebracht und mindestens ein Jahr lang gepflegt, erzogen und bemuttert haben. Et voila! Eine neue Führungskraft 2.0 ist geboren.
Ich werde morgen gleich mal die Top-50-Unternehmen anschreiben und Ihnen die bahnbrechende Kompetenzentwicklungsidee vorstellen. 😉

Und Ihr? Habt Ihr nicht auch das Gefühl, dass Ihr Euch seit dem Kind verändert habt?

Ich freue mich über einen Kommentar

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