Donnerstag: Und dann kam alles anders
Ach wie wir uns freuten. Noch drei Tage, dann würde unsere Familie für eine Woche Urlaub auf dem Bauernhof machen. Wir freuten uns alle, besonders Wirbelwind, die so gerne reitet. Es war ein schöner, sonniger Tag. Wir verbrachten den Nachmittag auf dem Spielplatz, wo einige Freunde aus dem Kindergarten mit Wirbelwind ausgelassen spielten. Sie stromerten in dem Parkgelände herum und machten „ihr Ding“. Alles wie immer. Und dann änderte sich alles. Wirbelwind kam die Wiese zu uns hochgelaufen. Da ich in der Ferne nicht so gut sehe, dachte ich mir erst nichts dabei, als eine Freundin mir sagte, dass es aussieht, als ob Wirbelwind weine. Auch das kommt immer mal wieder vor. Noch blieb ich ruhig. Das änderte sich, als sie dann vor mir stand. Am Ton merkte ich, dass es kein „Menno-das-ist-doof“-Weinen, sondern ein „Aua-scheiße-das-tut-höllisch-weh“-Weinen war. Ein Junge aus ihrem Kindergarten hatte sie unvorbereitet geschubst, so dass sie unglücklich fiel. Ich bat sie ihren Arm und ihre Finger zu bewegen. Die Finger konnte sie bewegen, aber den Arm nicht einmal selbstständig hochhalten. Der Ellenbogen sah etwas dick aus.
Genau in dem Moment klingelte mein Handy. Der Mann wollte wissen, ob er Blumen aus dem Baumarkt mitbringen solle. Ich meinte, mit Wirbelwinds Heulen im Background, dass er sofort kommen solle. Wirbelwind habe sich vielleicht den Arm gebrochen. „Ach Du Scheiße!“, rief er und machte sich sofort auf den Weg. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch, dass ich am Telefon doch etwas zu dramatisch war. Ich sollte nicht recht behalten. Als der Mann auf dem Spielplatz erschien, heulte Wirbelwind nochmal lauter auf und konnte, obwohl „nur“ der Arm betroffen war, gleich gar nicht mehr laufen. Der Mann trug sie zum Auto und fuhr ins Krankenhaus.
Dort wurden sie von der Notaufnahme in die Kinderchirurgie weitergeleitet. Nach langem Warten, Röntgen, Warten und Gesprächen und nochmals Warten stand fest: Wirbelwind hatte sich den Arm gebrochen. Der Bruch war sehr nah am Ellenbogen, so dass er nicht gegipst werden konnte. Stattdessen erhielt sie eine Art Hundehalsband, an das der Arm eingehängt wurde, so dass sich der Winkel des Ellenbogens nicht ändern konnte. Da der Arm beim Röntgen gut gestreckt werden konnte, war sich die Ärztin sicher, dass er nicht operiert werden musste. Allerdings konnte sich das noch ändern, da solche Brüche auch schnell ein Eigenleben führen. Daher sollte er am Montag, wenn die Schwellung zurückgegangen war, nachkontrolliert werden. Dann würde sich entscheiden, ob der Bruch stabil ist oder es einer OP bedarf.
Abgesehen davon, dass die Situation sowieso besch… für Wirbelwind war, dachte ich an unseren gebuchten Urlaub. Der würde jetzt ins Wasser fallen. Denn wir wollten ja am Sonntag los. Noch verstand Wirbelwind die Auswirkungen des Bruchs nicht. Es tat weh und war aktuell einfach doof, dass sie ihren Arm nicht benutzen konnte. Dass sie nun für einige Wochen so eingeschränkt sein und vielleicht den Urlaub verpassen würde, das verstand sie noch nicht. Noch.
Freitag: Alles Mist
Am Tag zwei saß Wirbelwind apathisch auf dem Sofa. Es war, als ob alle ihre Systeme in den Überlebensmodus geschaltet hätten. Mein wirbeliger Wirbelwind war zu einem lauen Lüftchen geworden. Besonders dass sie nicht alleine auf die Toilette konnte, kotzte sie an. Verständlich.
Zum Glück war am Nachmittag ein Kitafest, so dass sie etwas abgelenkt wurde. Der Papa spielte gegen Väter aus anderen Kitas Fußball und die Kinder vergnügten sich bei Hüpfburg, Glücksrad und Abziehbildern. Zwei gute Freundinnen leisteten Wirbelwind Gesellschaft und schlenderte etwas über das Gelände. Sie zeigte deutlich mehr Lebensgeister. Abends auf dem Sofa rächte es sich jedoch etwas, weil der Arm sehr warm und geschwollen war. Erst einmal Kühlen.
Samstag: Trennung auf Zeit
Unsere Urlaubspläne änderten sich währenddessen minütlich. Nach langem Hin und Her entschlossen wir, dass ich mit Wölkchen vorfahren würde. Da eine Freundin mit ihrem Kind bereits am Samstag anreiste, nutzten wir diese Mitfahrgelegenheit und reisten ebenfalls einen Tag eher an. Die Ferienwohnung war zum Glück auch einen Tag früher bezugsfrei. So sparten wir uns das Auto und der Mann konnte mit Wirbelwind, wenn alles gut ging, mit dem Auto nachkommen.
Morgens ging es ans Kofferpacken. Wirbelwinds Laune war auf dem Tiefpunkt. Nun realisierte sie, dass sie wegen dem blöden Arm so einiges verpassen würde. Der Abschied fiel schwer und mein Herz wollte am Liebsten bei meinem Wirbelwind bleiben. Aber es schien mir auch eine gute Idee zu sein, Wirbelwind und Wölkchen für ein paar Tage zu trennen, weil die kleine Schwester die Notlage der Großen nicht so recht verstand und sich auch bereits einmal – unter lautem Geschrei und Wirbelwind – auf ihren Arm setzte.
Also fuhren wir los, bei schönstem Wetter. Meine gute Laune wollte sich dennoch nicht so recht blicken lassen. Irgendwann kamen wir auf dem Bauernhof an. Es war sehr schön hier. Die Ferienwohnung war riesig. Viel zu groß für uns zwei. Wieder musste ich an Wirbelwind denken. Ach das war doch alles Mist. Urlaubsstimmung kam nicht auf.
Sonntag: Warten
Am Sonntag machten wir einen Ausflug in die Umgebung und abends Lagerfeuer mit Knüppelkuchen. Es dauerte bis nach 21 Uhr, ehe Wölkchen im Bett verschwand. Das war Urlaub. Aber etwas fehlte noch.
Die Nacht war sehr unruhig. Wölkchen bekam eine Erkältung und schlief angesichts der röchelnden Nase sehr schlecht. Ich machte mir Gedanken, ob das Lagerfeuer auch richtig aus war und sorgte mich gleichzeitig darum, was morgen beim Arzttermin bei Wirbelwind herauskommen würde.
Montag: Was ergab der Arztbesuch?
Montag früh um 9:12 blinkte das Handy. Eine Nachricht. Der Mann teilt mit, dass Wirbelwind NICHT operiert werden musste.
Ich saß gerade mit Wölkchen beim Frühstück und merkte erst jetzt, welch muntere Musik aus dem Radio ertönte. Wölkchen wippte zum Takt der Musik und ihre nackten Füße lachten mich so an, dass ich sie kitzeln musste. Es war wie ein Erwachen aus einer Art Winterschlaf für mich. 10 Tonnen leichter und endlich wieder ein Lachen in meinem Gesicht. Morgen. Morgen würde ich meinen Wirbelwind wiedersehen.
Dienstag: Wirbelwind kommt!
Bereits den zweiten Tag ritt Wölkchen auf einem Pony. Beim Gedanken daran, dass die nächsten Tage Wölkchen zwar reiten könne, aber Wirbelwind nicht, bereitete mir Bauchschmerzen. Mit wenig Hoffnung fragte ich die Pferdeführerin, ob denn mein Kind mit gebrochenem Arm auch reiten könnte. Sie bejahrte und mir fiel ein Stein vom Herzen. Sie kann! Ich müsse sie nur an einem Bein mit festhalten, als Ersatz für den fehlenden Arm. Der Urlaub war gerettet.
Bald sollte ich meinen Wirbelwind in den Arm nehmen können. Der Mann hatte vormittags noch einen Termin. Dann konnten sie losdüsen. Nachmittags war ich gerade dabei eine Blumenkette zu basteln und schaute immer wieder zur Straße hinüber. Von Weitem sah ich endlich das Auto kommen und freute mich riesig. Hinter der Scheibe grinste mich Wirbelwind mit einem verschmitzten Lächeln an. Sie war so fröhlich und munter, ganz anders, als ich sie am Samstag zu Hause zurückgelassen hatte. Sie schien kaum noch Schmerzen zu haben, bewegte ihren Arm, soweit es mit der Halterung möglich war, und flitzte durch die Gegend. Es war schön zu sehen, dass sie wieder im Alltag angekommen war.
Mittwoch bis Freitag: Sowas wie Urlaub
Wir hatten Urlaub. Ja, so fühlte es sich an, nicht wie ein Krankenlager. Immer wieder vergaß ich, dass Wirbelwind mit einem gebrochenen Arm herumlief. Denn sie bewegte sich so normal, machte viele Dinge selbstständig, auch den Toilettengang. Sie flitzte mit ihrer Schwester und ihrer Freundin durch die Gegend, sprang sogar, ohne Schmerzen zu haben. Nur ab und an kam ein trauriger Wirbelwind zum Vorschein, wenn sie beispielsweise nicht auf das Trampolin durfte oder sie nicht ganz alleine reiten durfte, sondern immer meine Hand am Schenkel hatte. Oder wenn wir sie zum Armkühlen anhielten, sie aber eigentlich viel lieber etwas Aufregenderes machen wollte. Im Großen und Ganzen machte sie es allerdings wirklich prima. Sie trägt es mit Fassung und hat sich sehr gut in diese Übergangssituation eingelebt.
Und weiter?
Am Samstag war unser Urlaub vorbei und wir traten die Heimreise an. Am Montag wäre Wirbelwind eh nicht in den Kindergarten gegangen, auf Grund des Brückentages. Am Mittwoch hat sie einen erneuten Arztbesuch, wo sich zeigen wird, ob bei Wirbelwinds Arm noch alles an Ort und Stelle ist. Dann gibt der Arzt auch (hoffentlich) sein „Go“ für den Kindergarten. Also wird Wirbelwind am Donnerstag mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in den Kindergarten gehen. Sie freut sich darauf schon riesig, weil sie bereits jetzt ihre Kindergartenfreunde sehr vermisst.
Insgesamt drei Wochen soll die Halterung dran bleiben. Die Hälfte haben wir also fast geschafft. Zum Glück heilen Kinderknochen schnell. Es war in jedem Fall eine Erfahrung, das sich jedoch hoffentlich nicht so bald wiederholen wird. Aber ein Gutes hatte es: Wirbelwind hat mich unglaublich überrascht mit ihrer Geduld, ihrem Verständnis und ihrer Unbefangenheit. Ich bin einfach nur Stolz, wie toll sie alles meistert. <3
Eure Wiebke
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