Von schweren Türen

Diese Tür. Groß und wuchtig. Ganz am Ende des Ganges, wenn die Schritte längst zu verhallen scheinen, steht man davor. Dort thront sie, anklagend, und wartet darauf, geöffnet zu werden. Ein Schritt, der mir von Tag zu Tag schwerer fällt: Eintreten in eine andere Welt. Eine Welt, in welcher jeder Tag, der darin fortschreitet, ein traurigerer Tag wird. Gezeichnet von Angst, Schmerz, Frust.

Auch heute stehe ich wieder vor dieser Tür. Atme. Horche. Atme. Dann fasse ich mir einen Ruck und klopfe an. Ein „Herein“ erwarte ich schon lange nicht mehr. Ich trete ein und nenne meinen Namen. Das sorgte in der Vergangenheit für Erleichterung, im Gegensatz zu den Schwestern, denen jedes Mal mit Argwohn begegnet wurde.

Diesmal erhalte ich keine Reaktion. Kein Blick. Kein Wort. Nur Atemgeräusche füllen den leeren Raum. Der Rollstuhl, der vor zwei Tagen noch an der Seite stand, ist weg. Die Trinkbecher mit Strohhalm sind verschwunden. Die Nahrungsaufnahme wurde abgeschlossen. Für immer. Nur geatmet wird noch. Noch.

Mich erfüllt diese Erkenntnis mit Beklemmung. Es ist so weit. Ab jetzt werden die Stunden gezählt.

Zunächst sitze ich schweigend neben dem Bett. Als ich merke, wie die Augen zucken, erzähle ich von meinem Tag. Vom Wetter – macht man das nicht so? Ich sehe Reaktionen im Körper. Die Füße zucken, die Hand bewegt sich, ein Stöhnen kommt über den geöffneten Mund, der nicht einmal mehr Schlucken kann. Keine Energie. Nur für das Atmen reicht es noch. Noch.

Ich streiche über die Hand. Sie bewegt sich. Ich kann nicht deuten, ob ich weitermachen oder aufhören soll. Die Schmerzmittel hatten sie zuletzt sehr verwirrt. Auch mir gegenüber verhielt sie sich distanziert. Ich streiche dennoch weiter über die Hand. Schaue in die Augen, die mich nicht mehr fixieren können. Sie sind, wie der Mund, ständig geöffnet, schauen zur Decke durch halb geöffnete Lider. Ich erhalte keine Antwort. Nur das Rasseln des Atems erfüllt den Raum. Noch.

Lange halte ich es nicht aus. Ich verabschiede mich, verspreche in zwei Tagen wieder zu kommen und weiß doch, dass ich sie nicht mehr lebend sehen werde. Weiß, dass es das letzte Mal ist, wie wir uns hier so gegenübertreten. Ein letzter Gruß und ich verlasse den Raum. Ich bin nicht allein. Der Schmerz begleitet mich. Durch diese große, wuchtige Tür.

Leb wohl.

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