Gastbeitrag
Heute lasse ich eine Leserin, die anonym bleiben möchte, zu Wort kommen. Sie berichtet über ihre Unzufriedenheit im Kindergarten, wie ich es auch in früheren Beiträgen ab und an getan habe.
Ich habe mich noch nie über unseren Kindergarten beklagt. Nicht über das gelieferte und manchmal etwas Junkfood-lastige Mittagessen, denn meinem Kind schmeckt es. Auch nicht darüber, dass so wenige Ausflüge oder spannende Projekte realisiert werden. Denn mein Kind spielt ohne Programm auch sehr gerne. Bisher war ich zufrieden, weil mein Kind zufrieden war. Mein minimaler Anspruch an den Kindergarten – als Raum für freies unbeschwertes Spiel mit ein bisschen Bastelgedöns – war erfüllt. Doch was, wenn dem nicht mehr so ist?
Mein Sohn ist schüchtern?
Vor einigen Monaten sagte man mir im Feedback Gespräch, dass der Sohn sehr schüchtern sein. Vor allem wenn er etwas wolle, würde der Sohn nuscheln und ganz ganz leise sprechen. Diagnose: Mangelndes Selbstbewusstsein. Es machte mich stutzig, denn das Verhalten kenne ich bei ihm nur, wenn er etwas ausgefressen hat und weiß, dass er eine Ansage bekommt. Ich betonte im Gespräch, dass das Kind eher sensibel sei und sich derbe Aussagen sehr zu Herzen nehme.
Ja, das ist bei meinem Sohn wirklich so. Ihn kränken bereits Aussagen von seinen Spielkameraden wie „du kannst jetzt nicht mitspielen“ oder „du musst jetzt Torwart sein“ so sehr, dass er abends weinend im Bett liegt und jammert, dass er keine Freunde hätte oder nur herumkommandiert werde.
Daher hing mir dieses Feedback-Gespräch noch länger nach. Einige Zeit darauf wollte der Sohn dann nicht in den Kindergarten, weil er lieber daheim in Ruhe bauen wolle. Weil so wenig Platz sei im Kiga-Bauzimmer. Dieser Wunsch kam immer häufiger, mehrmals in der Woche. Und ich wurde hellhörig. Steckt da mehr dahinter?
Brüllende Erzieherinnen im Kindergarten
Eines Abends erzählte mir der Sohn dann, er sei von anderen Kindern sehr geärgert und geschubst worden. Er zeigt mir eine Schramme an der Hand, die er von der Rangelei bekommen hatte.
„Hast du den anderen gesagt, dass sie aufhören sollen?“
„Ja, aber das haben die nicht.“
„Bist du zu deinen Erzieherinnen gegangen, um Hilfe zu holen“
„Nein, dann hätte ich geschimpft bekommen. Die sind immer so böse und brüllen rum.“
Die Alarmglocken schrillten auf. Nicht die relativ harmlose Klopperei machte mir Sorgen, nein, diese Aussage versetzte mir einen Stich ins Herz. Mein Kind will keine Hilfe holen, weil es Angst vor seinen Erzieherinnen hat? Der Sohn erzählte von Situationen, in denen er sehr motzige Antworten auf Fragen bekommen hätte. Es sprudelte aus ihm heraus, dass viel gebrüllt werde. Beim Mittagessen, weil es zu laut sei, beim Malen, weil die Kinder unruhig waren, einfach täglich.
Und ich bekam den Eindruck von einem sehr rauen Ton, der mir ganz und gar nicht gefiel. Ein Ton, der das Vertrauensverhältnis zu den Kindern so nachhaltig zerstört, dass sie sich nicht mehr trauen, um Hilfe zu bitten. Es kochte in mir. Und wieder hatte ich die Worte aus dem Feedback Gespräch im Ohr. Kein Wunder, wenn ich bei jeder Frage angefurzt werde, würde ich auch nur noch leise oder gar nicht mehr ankommen. Diese Kombi machte mich so so wütend!
Mein Kind soll verkehrt sein, nur weil ihr euch nicht im Griff habt?
Personalmangel im Kindergarten
Ich hatte innerlich schon den Kill Bill Anzug angelegt und das Schwert gewetzt. Am nächsten Tag wollte ich um ein Gespräch beten, aber – taaadaa, eine Erzieherin hatte ihren letzten Arbeitstag, die andere war im Urlaub. Mit meiner Wut im Bauch kam ich innerhalb von mehreren Tagen mit anderen Eltern ins Gespräch, die Ähnliches von ihren Kindern mitbekommen hatten. Und ich bat meinen Mann – die Diplomatie in Person – mit der Leitung zu sprechen, bevor ich es auf meine Kill-Bill-Art tun würde. Heraus kam, dass die Erzieherinnen wegen Personalmangels total überfordert waren. Krankheit, Personalabzug durch die Stadt für einen anderen unterbesetzten Kindergarten, Personalwechsel und der tägliche Wahnsinn. Man müsse monatelang suchen, bevor Stellen mit viel Glück neu besetzt werden können.
Wisst ihr, nichts gegen Schimpfen. Auch ich werde manchmal laut oder habe einen schlechten Tag. Und auch Erzieherinnen sind Menschen. Aber es ist nicht gut, wenn Kinder wochenlang schlechte Stimmung spüren, angemotzt werden und so leiden, dass sie nicht in den Kindergarten wollen oder sogar „Ausbruchspläne“ schmieden. Hallo – das sind doch Pädagogen! Und verdammt nochmal, wenn ich auf der Arbeit überfordert bin, dann spreche ich mit meinen Vorgesetzten und hole MIR Hilfe, anstatt es an Kindern auszulassen, die mir anvertraut werden. Es gibt immer Lösungen. Eine wäre vielleicht gewesen, mit uns Eltern zu sprechen und uns von dem Personalmangel zu berichten. Uns dafür zu sensibilisieren. Oder um Netzwerke zu nutzen, um jenseits von Stellenausschreibungen zu suchen.
Was hat sich seitdem geändert?
Es ist besser geworden. Es wurde jemand Neues eingestellt. Und der Sohn hat schon länger nichts mehr von „bösen Erzieherinnen“ erzählt. Der Kill-Bill-Anzug hängt wieder im Schrank. Was bleibt ist immer noch der bittere Nachgeschmack von missbrauchtem Vertrauen und mangelnder Transparenz.
Vielen Dank für Deine ehrlichen Worte. Es ist immer wieder schockierend, was ein Personalmangel für eine Kettenreaktion auslösen kann. Und unsere Kinder bekommen die Folgen ab. Das ist furchtbar und traurig.
Wie ist es bei Euch? Seid Ihr mit dem Betreuungsschlüssel zufrieden?
Eure Wiebke
Bild: Pixabay.com
AuchLieberAnonym
Hallo, wie spricht mir dieser Artikel aus der Seele.
Bei uns ist auch chronische Unterbesetzung. Das war bisher irgendwie tragbar und die Kids lernen ja auch Selbständigkeit dadurch aber irgendwann ist genug.
Im Spätwinter kam es schon häufiger vor, dass nur für zwei Gruppen eine Erzieherin ab ca 15.00h da war. Zwei Gruppen hieß in unserem Fall: 14 2,5-3,5jährige und nochmal soviele Schulanfänger. Und das auf zwei Zimmer verteilt mit durchgangstür. Die meisten Kids werden gegen vier geholt. Also eine Stunde Bambule und dann wann war mein Kind am Ende und die ist eigentlich hart im nehmen und auch gern mal im geben.
Nun ist es endlich soweit, dass sie rausgehen können. Nun zählen ich auf die 10 Gruppen in der Kita um halb vier grad mal vier oder Max fünf Erzieherinnen und eine Praktikantin die total schlaff auf der Bank sitzt und kein Auge für mein Kind hat. Von diesen Erzieherinnen ist eine in der Regel nur am laufen um die kleineren auf den Topf oder die Toilette zu begleiten.
In der gruppe meiner Tochter ist seit Monaten nur eine Erzieherin (obwohl das eine Kita und nicht Kigagruppe ist). Die andere ist nur noch am springen in den anderen Gruppen. Denke auch nicht, dass sich das nochmal ändert bis sie im Spätsommer kigagruppe werden, wo es dann ja planmäßig nur noch eine gibt.
Irgendwie hab ich mir das immer alles gefallen lassen bis ich gestern in die Kita kam und mein Kind nicht da war und keiner wusste, wo sie ist. Auch ihre Freundin war weg. Deren große Schwester hat die zwei meistens im Schlepptau aber auch die wusste nicht, wo mein Kind war. Kein Kind aus der Gruppe, keine Erzieherin. Daraufhin machten sich spontan drei der Erzieherinnen in die Spur und suchten. Darüber war ich auch froh, auch wenn ich mit im Nachhinein denke, dass dann auf die anderen Kids niemand ein Auge hatte. Irgendwann. Gefühlt nach einer Mutterewigkeit, wurde sie gefunden. Ich war aufgelöst aber superglücklich.
Heute würde ich dann indirekt von der einen Erzieherin gerügt, weil mein Kind sich heute nicht getraut hat zu spielen. Sie habe sich nicht von den Erzieherinnen weggetraut. Sorry dass ich meinem Kind sage, dass sie Bescheid sagen soll, wenn sie mit ihrer Freundin auf Streifzug geht und wohin sie gehen. Warum ich So ne Panik machen würde, sie, die Erzieherin hatte doch auch keine, sie wusste dass man das Kind irgendwo finden würde und hier kann doch nichts Passieren. Und die dürften das doch auch und überhaupt ist doch alles gut. Frag ich mich nur warum die Eltern der Freundin das auch nicht so problemlos sahen.
Danke fürs Gespräch! Ich war pappensatt