Notbetreuung in der Grundschule – zur aktuellen Lage

Notbetreuung in der Grundschule

Gestern habe ich seit fünf Wochen die Schule zum ersten Mal wieder betreten. Und ich war dezent geschockt. Warum, das möchte ich Euch heute berichten.

Auf Grund mehrerer Corona-Fälle in der Firma meines Mannes, wurde ich bislang von der Notbetreuung ferngehalten. Von über 300 Grundschülern nahmen die letzten Wochen ca. 10 Kinder die Notbetreuung wahr. Seit diesen Montag, nach der leichten Lockerung der Beschränkungen und Öffnung der Läden, sind es nun doppelt so viele. Das bedeutet, dass wir nun nicht nur eine, sondern zwei Gruppen betreuen. Alles aber noch überschaubar.

Ich muss gestehen, dass ich zuvor sehr aufgeregt war: was würde mich erwarten? Was für Maßnahmen muss ich einhalten? Wie schwierig würde es sein, die SchülerInnen zu bewegen, diese auch einzuhalten? Kann ich die Kinder bei Laune halten? Und: kann ich selber meine Hygieneansprüche halten? Viel zu zeitig war ich wach, habe unruhig geschlafen. Schon seltsam, dass mich dieser Tag so beschäftigte.

Hygienemaßnahmen in der Grundschule

Als ich in der Schule eintraf, empfingen mich zwei Regenbögen an der Eingangstür, die auch in unserer Wohnung hängen und Hoffnung vermitteln sollen. Die Tür war, anders als sonst, verschlossen. Wer hinein wollte und keinen Schlüssel hatte, der musste klingeln. Ich schloss auf und stolperte fast über eine Schulbank, die längs im Eingangsbereich stand. Auf ihr ein Zettel mit der Bitte, sich die Hände gründlich zu desinfizieren.

Im Foyer empfing mich dann ein zweiter Tisch mit Unterlagen für die Eltern. Wer sein Kind abgeben wollte, musste eine Bescheinigung ausfüllen, in der der Elternteil versichert, dass die Familie keinen Kontakt zu Corona-Infizierten hatte. Ist das nicht wunderbar? Man schreibt es auf einen Zettel, und dann ist das so. Wir Lehrkräfte und MitschülerInnen sind nun also „safe“, weil auf dem Zettel ja steht, dass niemand bedenklichen Kontakt hatte.

Ach so: eine Ausnahme gibt es dann schon: Elter, die von Berufswegen her Kontakt zu Infizierten hatten, sind davon ausgenommen. Sie dürfen ihre Kinder dennoch abgeben. Macht ja Sinn. Wir wollen ja auch, dass Ärzte und Krankenschwestern uns gut umsorgen. Was das für unsere Sicherheit im Schulgebäude bedeutet, könnt ihr Euch selber zusammenreimen.

Aber es gibt ja dieses tolle Desinfektionsmittel, das bereits am Eingangsbereich auf mich wartete. Davon gibt es sicherlich nun auch in den Betreuungsräumen welches. Und Masken. … Ich sollte enttäuscht werden. Auf meinem Platz befand sich … gähnende Leere. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass jede Lehrkraft ein „Corona-Willkommenspaket“ auf dem Platz liegen hat. Zumindest drang die Info, dass jeder Lehrer (und jede Lehrerin) so etwas erhalten sollte zu mir durch. Aber wir befinden uns ja noch in der Notbetreuung. Der offizielle Start für Viertklässler und somit die offizielle Öffnung der Schule findet ja erst am 4. Mai statt. Und dann wird das Corona-Virus auch so lange warten. Ganz bestimmt.

Warum bislang so wenig unternommen wurde, das hat mehrere Ursachen. Eine formal-offizielle Ursache ist die, dass die SchulleiterInnen immer noch keinen Schulleiterbrief erhalten haben, in dem geregelt ist, wie es ab dem 4.5. weiter gehen soll. Damit weiß die Schule auch nicht was durchgesetzt werden MUSS. Wie groß soll die Klassenstärke sein? Welche Inhalte sollen vermittelt werden in welchem Umfang? Wie sollen die viel zu vielen Schüler auf die viel zu wenigen Räumen mit viel zu wenigen Lehrern verteilt werden?

Fragen über Fragen, die aktuell noch nicht beantwortet sind. Also wird ein Desinfektionsmittel in den Eingangsbereich gestellt, ein Schreiben für die Eltern aufgesetzt und abgewartet. Kann man machen… (an dieser Stelle meine Gedanken bitte einfach weiterdenken, aussprechen möchte ich sie nicht. Will ja meinen Job behalten).

Notbetreuung – Ablauf

Meine Kollegin und ich erhielten eine Liste mit den heute angemeldeten Kindern. Ich ging davon aus, dass die Kinder automatisch in die gleichen Gruppen gehen, wie die letzten zwei Tage. Macht ja Sinn, wenn ein mögliches Virus nur in einer Gruppe wütet und nicht noch zwischen den beiden Gruppen getauscht wird. Aber mir wurde dann von der Sekretärin erklärt, dass ich die Gruppen selber einteilen darf.

Atmen.

Ich habe mich also erkundigt, wie es die letzten Tage gemacht wurde und diese Einteilung beibehalten: die Erstklässler in die eine Gruppe, alle anderen (zweite bis vierte Klasse) in die zweite Gruppe. Ich bekam die Erstklässler, acht an der Zahl.

Ich holte die Kinder vom Frühhort ab und bat sie, sich die Hände zu waschen. Sie hatten es bereits getan. Die Routine hatte sich schon gut eingeschlichen. Jedes Kind setzte ich auf eine separate Bank. Der Klassenraum hat 13 Bänke. Und sie stehen eigentlich noch viel zu dicht beeinander. Später könnten also nicht mehr als 13 Kinder, vielleicht sogar nur 10 gleichzeitig unterrichtet werden.

Ich begann die Notbetreuung mit einem „Morgenkreis“, wenn man ihn so nennen kann. Denn alle Kinder blieben dabei auf ihren Plätzen sitzen. Sie sollten sich ja nicht zu nahe kommen. Meine Fragen beantworteten sie nur zögernd. Sie wirkten traurig. Es war schwer, mit ihnen warm zu werden. Die meisten kannte ich nur vom Sehen, kannte nicht ihre Namen, geschweige denn was sie als Person ausmacht. Jeden Tag steht vor diesen Kindern eine andere Person, ihnen geht es ähnlich. Auch sie wissen selten, wer vor ihnen steht. Meist ist es nicht die Klassenlehrerin (oder der Klassenlehrer). Da würde ich wahrscheinlich auch so betröppelt gucken.

Ich versuchte die Stimmung mit dem „Neinhorn“ aufzuheitert, das die meisten auch bereits kannten und fleißig mitmachten. Denn begann die Bearbeitungszeit der Aufgaben. Ich habe Glück, dass ich an einem Mittwoch die Betreuung hatte. Es gab nur zwei Kinder, die bereits mit ihren Aufgaben fertig waren und die von mir anderes umsorgt werden mussten. Wer am Freitag betreut hat die A…karte gezogen.

Pause. Die Kinder toben im Hof – zeitlich gestaffelt von Gruppe zwei. Ich frage mich, wie Hofpausen abgehalten werden sollen, wenn wir 12 (halbe) Klassen gleichzeitig unterrichtet werden. Die Kinder spielen Fußball und rempeln sich ordentlich an. Kontaktverbot wird hier weit ausgelegt. Aber sie wirken wieder viel ausgelassener. Ich komme mit ein paar Kindern ins Gespräch.

Vor dem Frühstück dann nochmal Händewaschen. Vor dem Fenster wird es laut. Der Hausmeister steht mit seinem Mini-Traktor (oder Rasenmäher?) vor dem Fenster. Die Kinder flitzen zum Fenster und drängeln sich dicht an dicht. Arghhh! Ich rufe sie zurück, nur einer darf pro Fenster schauen. Klappt ja prima.

Die zweite Bearbeitungszeit fängt an. Ich lese zum Start den zweiten Teil vom „Neinhorn“, dann geht es los. Es läuft zäh, die Kinder sind schwer zu motivieren. Dennoch arbeiten alle an ihren Aufgaben. Nur eines tut sich schwer. Es meckert, dass es keine Lust dazu hat (wie wohl alle anderen Kinder im Raum auch). Ein Mitschüler gibt die eingetrichterte Antwort: „Unsere Eltern müssen auch arbeiten gehen, auch wenn sie keine Lust dazu haben.“ Der Unmotivierte verneinte. Seine Mutter arbeite nicht, genauso wie der Rest der Familie auch nicht. Auf mein Nachfragen erzählt er, dass er in der Betreuung ist, weil das Jugendamt es so wollte. Uff.

Die letzten 20 Minuten dürfen die Kinder im PC-Raum am Lernprogramm „spielen“. Fast geschafft.

Abschießend gibt es noch Mittagessen. Die Küchenausgabe ist geschlossen. Es ist Aufgabe der LehrerInnen, das Essen in der Assiette auszuteilen. Besteck nimmt sich jedes Kind aus einem Besteckkasten. Aus EINEM Besteckkasten!!! Oje, hier ist noch viel zu tun. Ich und meine Kollegin sind gefordert, anschließend das Besteck der Kinder selber abzuwaschen. Die Kinder wischen mit EINEM Lappen jeder seinen Tisch ab. Nun ja.

Die Kinder waschen sich erneut die Hände und gehen in den Hort. Ich gieße noch die Blumen und lasse das Erlebte sacken. Wenn ich den Tag nochmal starten würde, würde ich einiges anders machen. Aber in der ersten Konfrontation war es einfach nicht anders möglich. Mit dem Gefühl, mir einmal zu viel an den Mund gefasst zu haben, verlasse ich die Schule.

Notbetreuung. Das ist wie ein Testballon für die spätere Schulöffnung. Schade, dass hier noch nicht getestet wird. Die Etablierung von Hygienemaßnahmen zum Beispiel.

Anfang Mai wird es eine Lehrerkonferenz geben. Wie wir 20 Lehrkräfte in einen Raum passen werden, weiß ich zwar noch nicht. Aber eines weiß ich: ich bin gespannt, was dann geplant ist und habe bis dahin auch meine Worte wieder gefunden, um sie einzusetzen. Drückt mir die Daumen.

Eure Wiebke

 

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Notbetreuung in der Grundschule - ein langer Weg bis zur Schulöffnung

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