Schwierigkeiten in Mathe – Alles eine Frage der Zeit?

Entwicklung Mathe-Fähigkeiten beim Kind

Wer dem Blog schon länger folgt weiß, dass sich Wirbelwind mit Mathematik bereits in der ersten Klasse schwergetan hat. Zur Einschulung konnte sie noch nicht bis 20 Zählen. In der Mitte der ersten Klasse konnte sie keine einfachen Aufgaben bis 10 rechnen. In der zweiten Klasse schrieb sie entsprechende Noten. Es fiel ihr schwer, den komplexen mathematischen Gedanken zu folgen. Auch in anderen Bereichen zeigte sich dies, wenn sie beispielsweise Dinge vergaß mitzubringen oder einzupacken. Mehrere Aufgaben gleichzeitig überforderten sie. Ein Gespräch mit der Klassenlehrerin war angesetzt, als Corona kam.

Wie entwickelt sich ein Kind?

Natürlich habe ich versucht herauszufinden, woran das lag. Zu früh eingeschult, Spätentwicklerin oder sogar Dyskalkulie? Nach Piaget, einem Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie, würde sie sich auf Grund ihres Alters eigentlich bereits in der konkret-operationalen Phase befinden, in die Kinder in etwa mit Start in die Grundschule eintreten. Alles wies jedoch darauf hin, dass Wirbelwind noch in der vorigen Stufe, der präoperationalen Phase, steckte. In dieser Stufe bauen Kinder ein Verständnis zu topologischen Beziehungen auf, das Denken wird komplexer. Allerdings sind sie beispielsweise noch nicht in der Lage, Aufgaben zur Erhaltung von Masse und Zahl richtig zu lösen. Legt man zwei Reihen mit sieben Plättchen und fragt, ob das gleich viele oder unterschiedlich viele sind, dann wird das Kind „gleich viele“ sagen. Wenn man nun aber in einer Reihe die Plättchen weiter auseinanderschiebt, sie also einen scheinbar größeren Raum einnehmen, obwohl die Anzahl gleichbleibt, dann wird das Kind in dieser Phase sagen, in der weiter auseinander gezogenen Reihe seien mehr Plättchen. In der konkret-operationalen Phase sind Kinder fähig, Aufgaben mit mehreren Dimensionen zu lösen sowie Aufgaben, die Transformationen enthalten, wie es in der ersten Phase gerade beschrieben wurde.

(Natürlich ist bei der Einordnung in die Phase Vorsicht geboten. Denn es kann sehr große individuelle Unterschiede geben, wie man an Wirbelwind sieht. Und auch soziokulturelle Voraussetzungen haben einen Einfluss auf die Entwicklung.)

Trendwende bei Wirbelwind

Auch der Start in die dritte Klasse verlief holprig. Ich habe mich damit abgefunden, dass Mathematik einfach nicht ihr Ding ist und versucht, keinen Notendruck zu erzeugen, damit sie auch bei einer Vier nicht ängstlich oder traurig nach Hause kommt. Das ist uns auch ganz gut gelungen, denke ich. Auch haben wir uns bereits Gedanken dazu gemacht, auf welche Oberschule wir sie nach der vierten Klassen schicken würden.

Dann kam der dritte Lockdown am Ende des Jahres 2020. Die Pause und die Ruhe, fernab des Alltagstrubels, haben ihr ganz gut getan, auch wenn sie immer wieder betonte, dass sie die Schule vermisste. Aber sie konnte ausschlafen, der Körper konnte regenerieren, ihre Haut (sie hat Neurodermitis) war trotz Winter unauffällig und sie legte nochmal an Größe zu, wuchs in einem Monat zwei Zentimeter.

Anfang des Jahres, Wirbelwind war etwas über 8 ½ Jahre alt, zeichnete sich auch kognitiv eine Entwicklung ab. Als wir Matheaufgaben übten, war fast alles richtig! Sie war richtiggehend im Flow, wo sie sonst grübelnd vor den Aufgaben saß. Und im Februar, als sie wieder in die Schule ging, überraschte sie mich erneut. Sie dachte an alles, was sie mit in die Schule nehmen musste, machte sich sogar Gedanken darüber, ob eine Freundin etwas in die Schule mitnimmt. Es war, als würde Wirbelwind plötzlich statt mit einem Ball zu jonglieren zum Jongliermeister mit 10 Gegenständen mutieren. Auch im Alltag rechnet sie nun unaufgefordert mathematische Aufgaben, die sich aus dem Kontext ergeben. Letztens im Auto rechnete sie mir spontan aus, wieviel ich für zwei Geodreiecke mit je 29 Cent bezahlt habe. Unaufgefordert und richtig. Ihre Aussage dazu: „Ich habe es einfach schriftlich im Kopf gerechnet.“

Ich bin sehr stolz auf meinen Wirbelwind und sehe an ihr, dass es wichtig ist, Kindern auch die Zeit zu geben, die sie brauchen. Denn jedes Kind hat sein eigenes Tempo. Das wird im Schulalltag leider nicht immer berücksichtigt. Klar, wir hätten Wirbelwind zurückstellen lassen können, damit sie Zeit hat, mit Mathematik warm zu werden. Allerdings war sie in den anderen Fächern gut aufgestellt. Aber Wirbelwind hat sich durch die ersten zwei Jahre gekämpft und scheint nun gut angekommen zu sein, auch dank der Unterstützung durch die Klassenlehrerin. Ich hoffe die positiven Erfahrungen helfen ihr, optimistischer an das Thema Mathematik heranzugehen. Die große Mathematikerin wird sie sicherlich nicht. Aber das muss sie auch nicht. Ich bin schon froh, dass sie nun die Voraussetzungen hat, um gut durch den Schulalltag zu kommen.

Das Beste kommt zum Schluss

Vergangene Woche gab es dann das erste Bildungsberatungsgespräch, das in Sachsen am Ende der dritten Klasse, angesetzt ist. Die Klassenlehrerin hatte zuvor noch einen Kompetenztest gemacht und konnte zeigen, dass sie in ihren mathematischen Kompetenzen im Durchschnitt liegt, und auch Aufgaben mit hohem Schwierigkeitsgrad lösen konnte. Zudem habe sie sich – entgegen dem Klassentrend – zum Besseren entwickelt. Aktuell empfiehlt die Lehrerin daher, nach der vierten Klasse auf das Gymnasium zu wechseln. Ich war total baff und gleichzeitig stolz auf meinen Wirbelwind. Ob wir wirklich dieser Empfehlung folgen, werden wir im Laufe des vierten Schuljahres sehen. Leider wird Wirbelwind eine neue Klassenlehrerin erhalten. Ich hoffe, sie arbeitet dennoch weiter so motiviert mit.

Habt Ihr bzw. kennt Ihr auch Kinder, die sich anfangs schwer mit Mathe getan haben, dann aber doch „der Knoten geplatzt“ ist?

Eure Wiebke

 

Euch hat es gefallen? Dann pinnt es auf Pinterest!

Schwierigkeiten in Mathe - alles eine Frage der Zeit?

Ich freue mich über einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*