Auf Entzug.

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„Entzugserscheinungen treten auf, wenn sich unser Körper 
an ein Suchtmittel gewöhnt hat 
und eine körperliche Abhängigkeit besteht.“
Ich trinke nicht übermäßig Kaffe, ich rauche nicht, ich trinke wenig Alkohol (derzeit natürlich gar nicht), ich nehme keine Drogen. Dennoch bin ich gerade auf Entzug.
Wovon bin
ich dann körperlich abhängig? Was fehlt mir gerade so sehr, dass ich
zur Ablenkung heute bestimmt schon 20 Scrabble-Spiele auf meinem Handy
gespielt habe (oje, Handy als Ersatzdroge). Ihr werdet es bereits erahnt haben: es ist mein geliebter Wirbelwind.

  

Mein Mann
ist mit Wirbelwind über Pfingsten zu den Großeltern gefahren. Ich wollte
nicht mit, sondern mich einfach nochmal zu Hause entspannen. Zudem
wohnen die Großeltern eine Autofahrtsstunde entfernt. So weite Strecken
wollte ich kurz vorm Entbindungstermin nicht mehr zurücklegen. Und nun sitze ich hier und langweile mich. Mein Adrenalinpegel ist gleich Null. Nichts was mich stresst, nichts was mich aufregt. Nur viel Zeit und Ruhe. 

Mir ist langweilig

Gestern habe ich Mittagsschlaf gemacht, war nachmittags einkaufen und abends lag ich vorm Fernseher. Heute Vormittag habe ich mich mit einer Freundin auf dem Spielplatz getroffen. Ohne Kind. Na gut, die Freundin hatte ihr Kind dabei, aber seltsam war es dennoch. Auch heute habe ich Mittagsschlaf gemacht, etwas telefoniert und etwa gelesen. Ihr seht schon, viel aufregender wird es nicht mehr. Auch heute abend werde ich wieder fernsehen.
„Hat die keine Freunde?“, werdet Ihr Euch sicherlich denken. Doch habe ich. Aber entweder in einer anderen Stadt oder sie haben Familie und haben an Pfingsten etwas besseres zu tun, als sich mit einem gelangweilten Walross zu treffen. Obwohl, eine Attraktion wäre es schon 😉

Diese Stille

Ich habe ganz vergessen, wie ruhig es sein kann. Nur der Fernseher des Nachbarn ist zu vernehmen und das leise Surren des Computers. Immer wieder starre ich auf mein Handy in der Hoffnung, es würde sich etwas tun. Ich habe völlig verlernt mich selbst zu beschäftigen. In den letzten drei Jahren wurde ich beschäftigt. Mein Tagesablauf hatte einen Rhythmus, mein Tun ein Ziel. Ich hatte jemanden zum erzählen, zum schimpfen, zurechtweisen, zum knuddeln, zum gemeinsamen lachen. Oh wie ich das vermisse. Nach EINEM Tag. Ein paar Stunden Ruhe sind ja schön und gut, aber ein ganzes langes Wochenende!
Ich hätte so viel Zeit für andere Sachen: Ich könnte die Wohnung putzen (ein Wohnungputzendes Walross, noch eine Attraktion mehr), nochmal Wäsche waschen, bloggen (oh, mach ich ja gerade), ein gutes Buch lesen oder einfach nochmal die Ruhe genießen, bevor es die nächste Zeit wieder turbulenter wird. Mir fällt schon viel ein, aber ich habe keine Kraft. Wie gelähmt sitze ich auf dem Sofa und starre in den leeren Raum. 
Immer wieder denke ich: was meine beiden Schätze wohl gerade machen. Vorhin beim Telefonat war Wirbelwind so redselig. Ich hätte stundenlang mit Ihr erzählen können, nur sie hat irgendwann dem Papa wieder das Telefon in die Hand gedrückt mit den Worten: „Papa wollte nochmal mir dir reden“. Aha. Na das Kind scheint ja nicht gerade Sehnsucht nach mir zu haben. 

Meine Erkenntnis

Ein Gutes hat es: nach diesen zwei Tagen weiß ich, wie sehr ich das Familienleben liebe, wie sehr ich in meiner Mutterrolle aufgehe und mein Leben eben auch danach ausgerichtet habe. Ich weiß, dass ich das alles nicht mehr missen möchte und missen kann. Und ich bin so unendlich dankbar, dass diese Familie bald Zuwachs erhält, ich die Entwicklung von einem Neugeborenen zum Kleinkind noch einmal durchleben darf. Ich weiß es wird anstrengend werden. Und ich weiß, dass ich mich dann an genau diesen Moment erinnern werde und mir etwas von dieser Stille und Ruhe zurückwünschen würde. Doch ich weiß auch, dass dies nur kurze Momentaufnahmen sein werden, weil ich meine Familie viel zu sehr brauche, um erfüllt und glücklich zu sein. 
Also warte ich noch ab, bis morgen. Dann kommt mein Wirbelwind wieder und ich werde sie in meine Armen schließen, sie so lange knuddeln, bis sie sich selber aus meiner Umarmung befreien wird. Vielleicht wird sie mir dabei mit einem Arm über meinen Rücken streichen, wie sie es seit Kurzem macht. Und wahrscheinlich wird sie dabei „Mama“ rufen und mein Herz zum Schmelzen bringen. Ich kann es kaum erwarten. 
Doch bis dahin bleibe ich auf Entzug.
Eure Wiebke

2 Comments

  1. 25 Mai 2015 at 4:53 am

    Diesen Entzug kenn ich gut 😀

    Ich freu mich immer darauf, wenn ich mal Kind-frei habe (was sehr selten vorkommt) und am Ende mach ich danndoch nichts gescheites und vermisse meine Tochter eigentlich bloß.
    Irgendwie eine schöne Erkenntnis!

    Liebe Grüße, Biene

    • 25 Mai 2015 at 7:49 am

      Liebe Biene,
      da bin ich aber froh, dass ich damit nicht alleine dastehe 😉
      Es stimmt eben schon: man weiß erst, was einem fehlt, wenn es nicht mehr da ist!
      LG Wiebke

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