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Ich laufe durch die dunklen Straßen. Die Laternen spiegeln sich mit ihrem goldenen Antlitz auf dem feuchten Gehweg und leuchten mir den Weg nach Hause. Durch die Bäume kann ich bereits ein Fenster sehen. Es ist mit Rollos verdunkelt und strahlt mich dennoch an. Denn dahinter schläft in diesem Moment Wölkchen. Ich stelle mir vor, wie sie in ihrem Bettchen liegt und gleichmäßig atmend den Nuckel fast aus ihrem halbgeöffneten Mund verliert. Mein Herz füllt sich mit Wärme und ich beginne zu lächeln. Ich bin glücklich.
Wölkchen und Wirbelwind
Wölkchen, dieses Wesen hat mich erobert. Nicht im Sturm, aber mit einer kräftigen Brise. Unvorstellbar, dass es vor einem Jahr ein frischgeborenes Bündel war, das nur den Bruchteil von Wirbelwinds Zuneigung in mir auslöste. Und nun, ein Jahr später, ist Wölkchen nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken. Ihre neugierige Art, mit der sie ihre kleine Welt versucht zu begreifen, ihre Eigenarten, die mich zum Lachen bringen, ihre vollen Bäckchen, die so sehr dem Papa ähneln, das offene Lachen, wenn ich sie kitzle. Ich halte Dich ganz fest, mein Schatz, in meinen Händen, in meiner Erinnerung, in meinen Hoffnungen!
Aber da ist ja noch jemand: unser Wirbelwind. Vier Jahre wird sie bald und ist inzwischen eine eigenständige Persönlichkeit. Das Leben mit Ihr ist so bereichernd, denn sie lehrt mich, auf mich selbst zu achten. Darauf, was ich sage, was ich tue, ja sogar was ich esse. Ihre Klugheit überrascht mich immer wieder und lässt mich mit Stolz erfüllen. Ja, ich bin eine stolze Mama von zwei so wunderbaren Töchtern.
Und diese Töchter wachsen nun auch als Geschwister zusammen. Wirbelwind kann viel besser auf sie eingehen, als noch vor ein paar Wochen. Sie kann sie füttern, ihr die Schuhe anziehen und mit ihr spielen. Immer öfter und immer länger beschäftigen sie sich im Kinderzimmer alleine, so wie man es sich idealerweise bei der Zeugung des Geschwisterkindes ausgemalt hat. Wölkchen und Wirbelwind immer mehr mit- und nicht nur nebeneinander, eine Wirbelwolke quasi. ;-P
Papas Platz
Und da ist noch der Papa. Auch er brauchte Zeit seinen Platz in der neuen Familienkonstellation zu finden. Lange war dieser Platz auf dem Sofa, einsam, aber immerhin ausgeschlafen. Eine Zeit, in der er zu oft hilflos da stand und nicht wusste, was er tun sollte. Eine Zeit, in der er auf Anweisungen von mir wartete, gelähmt von der angst etwas falsch zu machen. Eine Zeit, in der das Gefühl dominierte, nicht das geben zu können, was die Mutter gab. So viel Wille, der von unsichtbaren Mauern versperrt wurde. Ein Papa abgedrängt.
Aber nun ist sein Platz mitten unter uns. Er trägt Wölkchen liebevoll durch die Gegend, spendet Trost und Nähe, macht sie abends fertig, bringt sie zu Bett, gibt ihr nachts die Flasche. Er wird akzeptiert. Er freut sich über ihre Fortschritte und ihre Eigenarten. Er zittert am Stärksten bei jedem Schritt Richtung Sofarand oder Tischkante. Er ist der Beschützer. Er legt seine großen, kräftigen Hände um ihren kleinen, zarten Körper. Er gibt Kraft, so viel Kraft.
Und Wölkchen genießt die Zeit mit Papa sehr. Wenn er nach Hause kommt, krabbelt sie sofort zu ihm und möchte hochgenommen werden. Es ist fast ein Ritual geworden, das von ihr vehement eingefordert wird. Oder auf dem Spielplatz, da sitzt Papa ganz nah bei ihr und Wölkchen wendet sich von ihrem Sandspielzeug ab, hangelt sich einmal über seine Beine, um dann – frisch gestärkt – weiterzuspielen. Die Interaktion zwischen den Beiden ist einfach nur rührend, gerade weil sie so unbewusst ist. Sie sind ein Team.
Papa und Wirbelwind haben auch diese Momente, aber eben doch etwas anders. Auch bei ihr zeigt er Stärke, wenn sie von ihm kopfüber ins Bad getragen werden möchte. Er beweist Ausdauer, wenn er spätabends noch geduldig ein Buch vorliest oder ihr den Rücken krault, wenn ich schon längst das Zimmer verlassen hätte. Er ist durchsetzungsstark, wenn Wirbelwind wieder das Unmögliche verlangt. Er ist ein Mädchenpapa, obwohl er sich nie vorstellen konnte genau das zu sein.
Unser Familien-Sonnensystem
Wir sind als Familie angekommen. Und das war erst möglich, als Abhängigkeiten von mir, der Mutter, losgelöst wurden. Ich bin nicht mehr die Sonne, um die sich alles dreht. Ich bin nun einer von vier Planeten in einem verflixten Sonnensystem. Wir alle vier haben uns gefestigt und strudeln nicht mehr ziellos im Weltall umher. Wir laufen in unseren Bahnen, ohne eine Kollision zu riskieren. Wir können uns gegenseitig sehen, ohne aneinander zu kleben. Wir erkennen unsere Existenz an – das ist wohl der wichtigste Punkt. Wir leben, nebeneinander, miteinander, aufeinander, laut, leise, wütend, fröhlich, nachdenklich, ruhig, glücklich, traurig, müde, herzlich, und immer ehrlich. Meine kleine Familie.
Wir sind komplett.