Freiheit. Uff, ein großes Wort.
Gestern. Da habe ich mich gar nicht frei gefühlt. Dabei war es Samstag. Samstag ist eigentlich mein Lieblingstag. Das Wochenende fängt gerade erst an, man kann (theoretisch) ausschlafen, und – wenn man ganz crazy sein möchte – sogar shoppen gehen. Dieser Samstag führte bei uns allerdings dazu, dass abends zwei betröppelte Kinder ins Bett gebracht wurden. Von einer Mutter, die eine kaputte Meckerschallplatte verschluckt hatte.
Ordnung im Haus – Ordnung im Kopf?
Ich halte gerne mein Heim in Ordnung. Also so das Nötigste halt. Aber Aufräumen gehört für mich dazu. Wenn in mir selbst die ganze Zeit Chaos herrscht, dann möchte ich es wenigstens um mich herum geordnet haben. Doch da kollidiere ich leider komplett mit den Vorstellungen der Kinder. Wenn man dann den ganzen Tag den Kindern hinterher geräumt hat, sie darüber hinaus bespaßt hat und sich am Ende des Tages fragt, was für mich übrig geblieben ist, dann nagt das am Freiheitsgefühl und an meinem Geduldsfaden.
Ich habe das Gefühl, ich bin derzeit nicht mehr ich selbst. Leicht reizbar. Wenig geduldig. Schnell ausweichend, wenn die Kinder etwas von mir wollen. Schnell genervt, wenn sie lauter werden.
Gerade nehme ich mir die Freiheit, Sonntag früh in meinem Bett liegen zu bleiben und diese Zeilen zu schreiben. Denn genau dieser Mangel an Freiheit, der meinen ganzen Alltag bestimmt, macht es mir schwer das flauschige, ruhige und warme Bett zu verlassen.
Wenn ich das Zimmer verlasse, warten da meine Kinder auf mich. Meine Kinder, die ich abgöttisch liebe. Die mich abgöttisch lieben. Und das zeigen sie auch. Rund um die Uhr. Es ist schwer am Wochenende Zeit für mich selber zu finden außerhalb der Schlafenszeiten der Kinder. Also tagsüber quasi. Denn Mittagsschlaf macht hier schon lange keiner mehr. Okay, den mach` ich ab und an am Freitag nach der Arbeit, bevor ich die Kinder abhole. Das ist meine persönliche Freiheit. Obwohl. Das nennt man dann wahrscheinlich Regeneration. Ist wieder was anders. Ein Thema, das auch zu kurz kommt hier.
Auf der Suche nach Freiheit
Aber zurück zur (fehlenden) Freiheit. Das Wochenende ist geschafft, fernab jeglicher Selbstbestimmung. Und dann kommt der Montag. Ich sitze an diesem Tag drei Stunden in Auto. Genauso wie am Dienstag. Und dann sitze ich noch acht Stunden im Seminarraum oder Hörsaal. Dann darf ich eine Stunde lang meine Kinder beknuddeln, was mir dann plötzlich wieder als große Freiheit vorkommt. Die Freiheit ist vorbei, wenn ich abends, wenn die Kinder im Bett sind, mit der Unterrichtsvorbereitung für Mittwoch beginne. Bett.
Dienstag das gleiche Spiel. Es gibt nur einen Unterschied: ich gehe abends zum Volleyball. Freiheit. Bett.
Mittwoch und Donnerstag in der Schule. Das Leben erhält einen Sinn. Ich bin gern dort und gebe gerne alles. Es macht Spaß. Aber am Nachmittag mit ich knülle. Nun fordern meine eigenen Kinder die Aufmerksamkeit, die ich den ganzen Vormittag bereits den Schülerinnen und Schülern gegeben habe. Es ist unfair. Aber die Energie lässt nach. Sie erhalten viel weniger, als sie bekommen sollten. Die Kinder sind im Bett und ich starte – mal wieder – die Unterrichtsvorbereitung. Bett. Freiheit Fehlanzeige.
Freitag, nach meinem Mittagsschlaf (Regeneration), hole ich die Kinder ab und fahre die Große zum Hockey. Nach Hause, Abendbrot, Chorprobe (Freiheit).
Ein Kartenhaus
Und schwubbdiwubb ist eine Woche um. Und ich stehe da mit zwei energiegeladenen Kindern – und habe selber keine mehr. Energie, die ich mit mehr Möglichkeiten der Regeneration und Freiheit vielleicht wieder aufladen könnte. Aber hier fehlt es an allen Ecken und Enden. Keine Haushaltshilfe, kein Babysitter, keine Verwandten um die Ecke. Wir sind ganz auf uns allein gestellt. Mein Mann, die Kinder und ich. Es schlaucht. Nicht nur bei mir macht es sich bemerkbar. Mein Mann gibt sein Bestes, nahe an der Belastungsgrenze. Und auch die Kinder sind deutlich anhänglicher (insbesondere nachts). Das Gute daran: es schweißt uns als Familie zusammen, weil wir umso mehr merken, was wir aneinander haben, wie abhängig wir voneinander sind. Fällt einer aus, fällt das ganze Kartenhaus zusammen. Ein Kartenhaus. Wunderschön, groß und fantasievoll gebaut. Jedoch reicht ein leichter Luftstoß, um alles durcheinander zu wirbeln. Ich werde wohl auf die Suche gehen müssen, nach „Kartenkitt“. Ihr wisst schon: das Zeug, das dieses wundervolle Gebilde am Stehen hält, auch wenn es draußen stürmt. Hat jemand einen Tipp, wo man so etwas bekommen kann?!
Hallo Überforderung
Aber im Ernst: wenn sich nicht bald was ändert, dann wird es hier heikel. Bislang leiden unsere Kinder am Meisten. Vor drei Wochen war es meine Aufgabe, das Kind morgens, wenn ich auf dem Weg nach Leipzig bin, anzurufen, damit es weiß, wann es zur Schule laufen muss. Ihr könnt es Euch denken: ich habe es vergessen. Sie sollte sich an der nächsten Ecke mit einer Schulfreundin treffen, die natürlich weinend nach Hause lief, als Wirbelwind nicht wie geplant erschien. Der Tag konnte weg.
Eine Woche später vergaß ich Wirbelwind das Mittagessen zu bestellen. Da sie es uns abends auch nicht verriet, durfte sie am nächsten Tag gleich nochmal hungern. Zum Glück legten die Klassenkameraden die Reste ihrer Brotbüchsen zusammen.
Und vergangene Woche war zwar das Mittagessen bestellt, dafür steckte ich die morgens sorgsam zubereitete Brotbüchse kurzerhand in meinen Rucksack, statt in Wirbelwinds Ranzen.
Bin ich froh, dass nächste Woche Winterferien sind. Ich hoffe ich kann dann meine Gedanken wieder so weit sammeln, dass nicht die Kinder unter meiner Verwirrtheit und Überforderung leiden. *Schnief
.
So. Und nun schäle ich mich aus meinem Bett und umarme meine Kinder. Ganze fest. Und heute lasse ich die Meckerschallplatte ganz hinten im Schrank verschlossen. Hoffentlich. Denn wenn jemand Rücksicht verdient hat, dann sind es diese tollen Kinder.
Eure Wiebke
Mia
Liebe Wiebke,
deine Zeilen lesen sich teilweise dramatisch.
Ich kenne solche stressigen Phasen mit kaum Freiheit oder Regeneration in meinem Leben auch, besonders als unsere Kinder noch sehr klein waren. Schwierig wird es, denke, ich, wenn es keine Phase ist, sondern eher ein Dauerzustand.
Es ist nicht immer leicht, alles im Alltag unter einen Hut zu bekommen. Mal klappt es besser, mal schlechter.
Ich wünsche dir viel Kraft für diese Lebensphase und hoffe, dass sich für dich kleine Lichtblicke auftun!
Ganz liebe Grüße
Mia
Kunstliebe
Hallo Wiebke, was für ein Glück diese Seite gefunden zu haben! Ich befinde mich in einer ähnlichen Situation wie du! Ich habe drei Kinder im Alter von 12, 7,5 und 2.5 Jahren und leiste das erste Jahr Referendariat für die Mittelschule ab . Gerade liege ich mit fiesen Nachwehen einer Grippe im Bett . Meine ganzen Pläne für die Woche wurden komplette zerstört und wenn ich nur daran denke was ich jetzt alles nachholen muss wird mir schlecht!! Wir haben leider keine Hilfe von den Großeltern und wurschteln uns als Paar so durch! Meistens arbeite ich bis 1.00 am Schreibtisch und meine Nächte sind dank Jüngster sehr sehr oft unterbrochen. Ich frage mich so oft wie ich das die nächsten Jahre noch schaffen und durchhalten soll.!? Ich kann alles was du so beschreibst wahnsinnig gut verstehen und nachvollziehen. Ich drücke dir die Daumen für die weiteren Jahre und wünsche dir viel Kraft und Ausdauer. Viele Grüße aus Passau! Ps: was hast du eigentlich vorher gearbeitet?
verflixteralltag
Oje, das scheint nochmal heftiger zu sein, als bei mir. (()) Ich hoffe bei dir wird es bald entspannter. Ich drücke dir die Daumen für dein Ref.
Ich bin studierte Soziologin und habe lange an der Uni gearbeitet, später in der Erwachsenenbildung.
LG Wiebke