Wirbelwind war beim Zahnarzt

Das erste Mal Kind beim Zahnarzt

Unruhig sitzt Wirbelwind auf dem Stuhl. Ich halte ihre Hand und sie drückt sich an mich. „Ich habe Angst“, verrät sie mir. Ich erwidere, dass das in Ordnung sei. Ich werde bei ihr sein. „Und wenn er bohrt?“, fragte sie nun wieder und schaute mich mit ihren Kulleraugen an. „Erst einmal wird er nur gucken. Wenn er doch bohren sollte, dann sagt er das vorher!“ Sie wird ruhiger. Ich setzte mich auf die andere Seite auf den Stuhl und schiebe umständlich meine Hand zwischen dem Spülbecken hindurch, um sie Wirbelwind zu reichen. Sie nimmt sie dankbar an. Der Zahnarzt betritt den Raum.

Rückblick

Hat mein Kind Karies?

Immer mal wieder klagte Wirbelwind darüber, dass ihr etwas im Mund wehtat. Besonders dann, wenn der Papa bei ihr Zähne putzte. Ich schob es auf das zarte Zahnfleisch, welches den kräftigen Händen des Papas nachgab. Letzte Woche schaute ich dann doch mal nach und entdeckte tatsächlich an dem vorderen Backenzahn eine braune Stelle.

  • Hat sie Karies? Mit Vier?
  • Haben wir nicht genug nachgeputzt?
  • Haben wir Wirbelwind zu viel Süßigkeiten gegeben?

Diese Fragen schossen mir durch denn Kopf und wollten auch nicht so recht verschwinden. Schuldgefühle machten sich breit. Muss Wirbelwind nun tatsächlich bereits mit vier Jahren einem Zahnarztbohrer entgegentreten?

Ich machte einen Termin beim Zahnarzt aus, eine Woche mussten wir warten. Eine lange Zeit, in der ich mich immer wieder fragte, ob ich Wirbelwind denn nun überhaupt noch Süßigkeiten zustecken darf? Jeden Morgen und Abend putzten wir extra gründlich nach.

Wirbelwinds Erfahrungen mit dem Zahnarzt

Einmal war Wirbelwind bislang beim Zahnarzt, und da war sie noch keine zwei Jahre alt. Sie hatte mich begleitet und die Ärztin sollte mal kurz auf ihr Gebiss schauen, ob hier alles ordentlich wuchs. Sie heulte und verbiss den Mund, so dass die Ärztin nur kurz hineingucken konnte. Heute erinnert sich Wirbelwind nicht mehr daran, wenn man sie fragt.

Zudem kommt zweimal im Jahr ein Zahnarzt in den Kindergarten. Dann setzen sich alle Kinder in einer Reihe auf den Stuhl und öffnen nacheinander den Mund. Fließbandarbeit der besonderen Art. Was hier so merkwürdig anmutet, hat allerdings den Vorteil, dass die Kinder sehen, wie es bei anderen Kindern gemacht wird. In der Gruppe fällt es ihnen leichter, den Mund zu öffnen. Und so machte auch Wirbelwind bislang immer prima mit.

So klärten wir sie über das Zähneputzen auf

Um Wirbelwind das Thema Zahnarzt und Zähneputzen zu verdeutlichen, besitzen wir zwei Bücher. Das eine Buch ist „Conny geht zum Zahnarzt„. Sicherlich kennen das Einige von Euch. Hier wird kleinlich beschrieben, wie so ein Zahnarztbesuch abläuft. Natürlich meistert Conny mal wieder alles mit Bravour. Aber zur Erläuterung des Themas finde ich das Buch prima. Leider haben wir es im Chaos der Büchern ausgerechnet jetzt nicht finden können.

Dann haben wir noch ein zweites Buch „Neues aus der Milchzahnstraße“ von Anna Russelmann. Darin wird sehr anschaulich beschrieben, wie sich Dicky und Hacky eine schöne Wohnung im Zahn ausbauen, zumindest bis die ZAPOS kommen, die Zahnpolizei, die in Form einer riesigen Zahnbürste sauber machen. Nur eine Vorratskammer wird übersehen und so muss am Ende doch der Zahnarzt ran.

Wir erzählten Wirbelwind, dass wir mit ihr zum Zahnarzt gehen. Wir sagten auch, dass es sein kann, dass er bohrt, wenn die braune Stelle wirklich ein Loch ist. Wir erklärten weiter, dass vielleicht Dicky und Hacky nun in einem ihrer Zähne wohnen und der Arzt sie mit der Bohrmaschine dann rausmachen würde. Ok, sonderlich wohl war ihr dabei nicht, aber sie verstand es. Ich packte meine elektische Zahnbürste aus und zeigte ihr auf der Hand, wie es sich in etwa anfühlen würde, wenn der Zahnarzt am Zahn bohren würde. Sie merkte das vibrieren und schien erleichtert. Dass es auch ein kleines bisschen weh tun könnte, traute ich mich nicht zu verraten.

Der Zahnarztbesuch

Die Vorbereitung

Heute morgen war es dann so weit. Wir putzten nochmal gründlich die Zähne und fuhren zum Zahnarzt. Der Papa brachte in der Zeit Wölkchen in den Kindergarten. Wirbelwind war sehr gut drauf. Beschwingt flitzten wir vom Auto zur Zahnarztpraxis und stiegen die Treppen hinauf. Während wir die Stufen erklommen erklärte ich ihr nochmal, dass die Praxis aussieht, wie eine große Wohnung und sie dort im Warteraum auch etwas spielen kann. „Ja das weiß ich doch“, war die schnippige Antwort. Nun denn. Sie steuerte sofort die Spielecke an, während ich sie „eincheckte“. Wir puzzelten, ich las ihr vor und als sie gerade die Spielzeugkiste über dem Boden auskippen wollte, erklang ihr Name im Lautsprecher. Wir gingen den langen Flur entlang und Wirbelwinds Schritte wurde mit jedem Meter langsamer. Ich hielt ihre Hand.

Ein einfühlsamer Zahnarzt ist Gold wert

Der Zahnarzt betrat den Raum und setzte sich neben sie. Ganz einfühlsam ging er auf sie ein. Die Instrumente ignorierte er zunächst und schaute einfach nur auf meinen Wirbelwind. „Wie alt bis Du?“ fragte er sie, um sie etwas aufzuwärmen. Sie zeigte vier Finger. „Vier Jahre“, deutet der Zahnarzt die Geste vollkommen richtig. Wirbelwind ergänzte: „Ich hatte vorhin erst Geburtstag!“. Ich musste lachen und ergänzte: „Sie hatte im Sommer Geburtstag“. Der Zahnarzt nahm den Faden auf und fragte sie, ob sie den Winter denn auch schön fände. Sie nickte. Und was sie sich denn zu Weihnachten wünsche. Wirbelwind wind sich etwas schüchtern im Stuhl hin und her und flüsterte dann mit einem breiten Grinsen „Ein Puppenhaus, das größer ist als ich“. Ich horchte auf. Das war mir neu. Ich schrieb es gedanklich zu ihrer Weihnachtsliste, die sich bereits wie eine ellenlange Papyrus-Rolle durch den Raum schlängelte.

Die Zahn-Untersuchung

Genug nun des Vorgeplänkels. Der Arzt holte ein Gerät hervor und erklärte ihr, dass er zunächst ihre Zähne trocken pustet, damit er sie sich besser anschauen kann. Dann nahm er ihre Hand und pustete sie etwas an. Wirbelwind lächelte. Dann holte er noch einen Spiegel hervor. „Den hier kennst Du sicherlich schon“. Wirbelwind nickte.

Bevor es losging erklärte die Zahnarzthelferin noch, dass die braven Kinder sich am Ende noch etwas Schönes aussuchen können. Mich durchfuhr es. Denn diese Aussage suggeriert, dass Kinder, die ihre Ängste zeigten, als „nicht brav“ abgestempelt und dann auch noch bestraft werden, indem sie keine Belohnung erhalten. Es war eine junge Schwester, die sicherlich noch keine Kinder hatte. Vielleicht würde sie es dann anders formulieren. Aber weiter im Programm.

Nun bat der Arzt Wirbelwind den Mund zu öffnen, was sie sofort tat. Er war begeistert. Ich auch. Wirbelwinds Mundwinkel zogen sich etwas nach oben, so weit das mit geöffnetem Mund möglich war. Er schaute sich die Zähne gründlich an, auch die braune Stelle. Mein Herz blieb kurz stehen, damit ich die Antwort des Zahnarztes nicht verpasste. Ich hörte ganz deutlich, wie er sagte: „Sie hat sehr strukturierte Zähne. Da kann sich leicht mal etwas verfangen. Aber die braune Stelle ist ganz fest. Da müssen wir jetzt nichts machen. Wir werden es weiter beobachten. Ich mache noch etwas Fluor drauf und sie kommen in einem viertel Jahr zur Beobachtung nochmal her.“

Der Nachklang

Mir plumpste ein Stein vom Herzen, auch wenn etwas Mulmiges bleibt, weil wir in einem viertel Jahr wieder hier sitzen werden und es dann vielleicht nicht so gut ausgehen wird. Wirbelwind aber strahlte mich vom Zahnarztstuhl aus an. Die ersten Sonnenstrahlen des verregneten Tages erreichen mein Herz. Ich bin so unglaublich stolz auf meinen Wirbelwind, wie stark sie war. Mit der Schwester ging sie nach Vorne und suchte sich ihr kleines Geschenk aus: ein Armband. Eurphorisch hüpfte sie zur Tür. Ich mache noch den neuen Termin aus und wir verließen die Praxis.

Für Heute war es gut ausgegangen. Doch ewig kann ich sie wohl nicht vor dem Schmerz bewahren. Doch eines steht fest. Für das Zähneputzen werde ich mir bei ihr wohl zukünftig wieder mehr Zeit nehmen.

Was habt ihr für Erfahrungen beim Zahnarzt gemacht?

Eure Wiebke

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