Ja, in unserer Familie gibt es Regeln. Es werden sich die Hände vor und nach dem Essen gewaschen, es darf nicht die ganze Zeit genascht werden und erst recht nicht fern gesehen. Es müssen die Zähne geputzt werden. Die Kinder gehen zu festen Zeiten ins Bett (ob sie dann gleich einschlafen oder noch etwas leise spielen, sei mal dahingestellt) und überhaupt finde ich es wichtig Kindern beizubringen, dass man sich auch einmal zurücknehmen muss, um das Zusammenleben zu erleichtern oder auch seine eigene Gesundheit und Entwicklung zu würdigen.
Diese Regeln kommen bei unseren Kindern sehr unterschiedlich an. Kein Wunder, beide haben sehr verschiedene Charaktere. Wie das zusammenhängen könnte, habe ich für Euch heute einmal versucht zusammen zu fassen.
Wirbelwind: Wie ein Fähnchen im (Wirbel-)Wind
Mit unseren zwei Kindern, Wirbelwind und Wölkchen, haben wir zwei ganz grundverschiedene Charaktere in der Familie. Wirbelwind war schon immer sehr nachgiebig. Wenn wir etwas wollten, dann sagte sie „ok“ oder „na gut“ und es war in Ordnung. Sie war dann nicht immer zufrieden mit dem, was sie machen sollte, aber sie tat es.
Beispiel Fernsehen: Das Fernsehen bei uns ist in der Woche recht stark reglementiert. Es darf nach dem Abendbrot eine halbe Stunde ferngesehen werden. Wenn es dann heißt, dass der Fernseher ausgeschaltet wird, befolgt Wirbelwind unsere Anweisung. Sie schaltet ihn aus. Manchmal etwas zögerlich vielleicht, aber sie tut es, ohne zu murren.
Ja, sogar in der Autonomiephase hatte sie keinerlei Wutanfälle. Irgendwie machte sie es mit sich aus, im Leisen. Immer wieder erlebe ich im Alltag, wie sie Dinge, die nicht zu ihrem ursprünglichen Wunsch passen, eben uminterpretiert. Kognitive Dissonanzreduktion nennt man das. Und das beherrscht sie in Perfektion. Das heißt wenn das, was sie tut (bzw. tun muss) nicht mit ihren Interessen übereinstimmt, dann wird es sich eben „schön geredet“. Wenn sie beispielsweise versehentlich einen Keks in den Dreck fallen lässt, dann folgt unweigerlich darauf der Kommentar: „Den wollte ich eh nicht mehr essen.“. Es ist tatsächlich ein Phänomen bei ihr.
Wölkchen – Standhafte Rebellin
Bei Wölkchen ist es anders, war es von Anfang an. Hier durchliefen wir die Autonomiephase nach Bilderbuch. Standhaft vertrat und vertritt sie ihre Meinung. Wenn ihr etwas nicht gefällt, dann lässt sie uns das sehr deutlich wissen. Auch jetzt, mit über 3 1/2 Jahren weint sie los, wenn sie etwas tun soll, das nicht ihrem Willen entspricht.
Beispiel Fernsehen: Während Wirbelwind den Fernseher einfach ausschaltet, kann Wölkchen es viel schwerer akzeptieren. Bis vor Kurzem wälzte sie sich zuweilen heulend auf dem Sofa, weil Wirbelwind den Fernseher nach unserer Anweisung ausgeschaltet hat. Langsam wird es besser, auch weil wir sie Minuten vorher darauf vorbereiten, dass er gleich ausgemacht wird. Das hilft ihr, den Übergang besser zu ertragen.
Die Ehrlichen brüllen lauter?
Insgesamt zeigt Wölkchen einen etwas dickeren Kopf, als Wirbelwind. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Für uns Eltern scheint es zunächst einfacher, mit Wirbelwind klar zukommen, weil sie unseren Anweisungen mit wenig Widerstand begegnet. Andererseits ist es erfrischend ein Kind zu haben, das weiß, was es will und zu dieser Meinung auch steht.
Eines jedoch ist mir aufgefallen und könnte vielleicht sogar mit den Reaktionen der Kinder zusammen hängen: Wirbelwind erwischen wir immer wieder dabei, wie sie die von uns gesetzten Regeln umgeht. Uns gegenüber zeigt sie sich also sehr fügsam und regelkonform. Hintenherum bricht sie diese Regeln aber dann. Hierfür habe ich zwei Beispiele:
- Naschen. Das Naschen wird bei uns stark reglementiert, weil Wirbelwind einfach eine Süße ist. Sie liebt es, morgens süßes Brot zum Frühstück zu essen und schmiert sich tonnenweise Marmelade oder Honig auf das Brot. Zwischendurch möchte sie immer Naschen. Es ist, als ob sie hier keine natürlich Selbstregulation hat, was den Süßigkeitenkonsum angeht (und nein, ich denke nicht, dass es daran liegt, dass wir diesen Konsum von außen steuern. Wir haben ja den Vergleich zu Wölkchen). Wenn sie uns fragt, ob sie etwas Naschen darf, dann sagen wir schon ab und an ja. Nur eben kurz vor dem Essen oder direkt nach dem Zähneputzen nicht. Und generell soll abends nicht mehr genascht werden, damit sie vom Zucker nicht so „aufgeputscht“ werden. Immer wieder sehen wir aber, dass leere Bonbonpapiere unter ihrem Bett liegen (auch bereits seitdem sie 3 Jahre alt ist), was uns zeigt, dass sie heimlich nascht, evtl. sogar nach dem Zähneputzen (was erklären könnte, warum sie bereits Karies hatte).
- Tablet. Manchmal schauen die Kinder statt dem Fernseher lieber Tablet. Das ist auch ok. Auch hier gilt das Gleiche, wie oben beschrieben. Nur am Wochenende sind wir da lockerer. Aber wenn wir sagen, dass das Tablet jetzt ausgemacht wird, wird es auch ausgemacht. Und dann plauderte Wölkchen letztens aus, dass Wirbelwind abends heimlich noch im Bett Tablet schaut.
Ihr seht also: Wirbelwind verhält sich uns gegenüber zwar regelkonform und zeigt wenig Widerstand. Aber anscheinend nur deshalb, weil sie weiß, dass sie diese Regeln ja jederzeit heimlich umgehen kann.
Unser Wölkchen hingegen sieht unsere Regeln als gesetzt. Sie kommt gar nicht auf die Idee heimlich zu Naschen oder heimlich etwas anzugucken. Vielleicht klagt sie das Ende des Fernsehens deshalb besonders stark an, weil es für sie ein definitives Ende bedeutet. Wirbelwind, die sich ihre Grenzen selber aufweicht, kann hingegen diesem (nicht definitiven) Ende gelassen entgegen sehen.
Es ist für mich eine interessante Beobachtung, die mir bislang noch nicht aufgefallen war. Konntet Ihr denn etwas Ähnliches beobachten? Geben sich die Kinder nachgiebiger, die kurz danach die scheinbar akzeptierten Regeln brechen?
Habt Ihr das auch schon beobachtet?
Eure Wiebke
Zu den Regelverstößen, warum das Wirbelwind tun könnte und wie wir darauf reagieren, ist in diesem Folge-Beitrag zu lesen.
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