Eine Farce

Impfausweis

Eine Farce, ja genau das ist es wohl, was hier momentan passiert. So unglaublich, dass man nicht weiß, ob man lachen oder verzweifeln soll. Ich habe heute beides getan.

Was ist passiert? Nun ja. Wir spulen zurück.

Mittwoch

Ich schleppe mich in die Schule, bin ziemlich angeschlagen. Ich nehme mir vor noch drei Unterrichtsstunden zu geben, die Unterrichtsvorbereitungen für die KollegInnen zu machen und dann den Arzt aufzusuchen.

Gesagt getan. Als ich die Schule verlasse, erreicht mich die Nachricht einer Kollegin, dass bei einem Kind Hepatitis A diagnostiziert wurde. Auch meine Hausärztin informiere ich darüber. Ich selber bin nicht geimpft. Eine sofortige Impfung schließt sie allerdings auf Grund meines Gesundheitszustandes aus. Sie nimmt mir stattdessen Blut ab, schreibt mich 10 Tage krank und rät mir zu einer Mutter-Kind-Kur. Ich scheine Eindruck gemacht zu haben.

Donnerstag

Den Krankenschein schicke ich per Mail an die Schule. Ich erhalte keine Antwort. Sie scheinen Wichtigeres zu tun zu haben. Ich erhalte von einer Kollegin die Nachricht, dass das Gesundheitsamt alle Impfausweise kontrolliert, von Schülern, Lehrern und Horterziehern.

Die stellvertretende Direktorin ruft mich an und möchte meinen Impfstatus wissen. Ich muss mich leider in die Reihe der Nichtgeimpften einreihen. Als ich versichere, für den morgigen Tag noch die Unterrichtsvorbereitungen zu schicken, winkt sie ab. Das brauche ich nicht. Mal sehen, ob die Schule dann überhaupt offen sei, ist ihr Kommentar.

Und tatsächlich. Am Abend lese ich in den Onlinemedien, dass die Schule geschlossen bleibt. Alle Schüler und alle nicht-geimpften LehrerInnen und ErzieherInnen müssen zu Hause bleiben. Mehr noch: uns wird angeraten, die Impfung dringend nachzuholen. Ohne Impfung können es vier Wochen sein, die man sonst die Schule von außen sieht, mit frischer Impfung immerhin nur zwei Wochen.

Das Gesundheitsamt scheinigt allen nicht geimpften LehrerInnen ein Tätigkeitsverbot aus. Uns ist es untersagt in Gemeinschaftseinrichtungen Tätigkeiten auszuüben. Und uns wird nahe gelegt, Großveranstaltungen zu meiden. Auch zur Uni darf ich nicht gehen.

Freitag

Und dann, Freitagnachmittag dehnt sich der Kreis in mein Privatleben aus. Eine Chorprobe steht an. Ich berichte von meiner Lage und sage, dass ich die Probe aus der Ferne verfolgen möchte. Schließlich möchte ich mit dem Repertoire up to Date bleiben, auch wenn ich nicht mitsingen kann. Die Chormitglieder sprechen sich jedoch gegen mein Kommen aus. Zu riskant.

Ich darf nicht meinem Hobby frönen, weil ich mich zufälligerweise im selben Gebäude aufgehalten habe, wie ein Kind, das nun Hepatits A hat. Ich verstehe die Sicherheitsvorkehrungen, aber das schmerzt.

Derweil läuft der Uni-Chat auf Hochtouren. Eine Kommilitonin gratuliert uns zu unserer neu gewonnen Freizeit. Ab gesehen davon, dass ich sowieso krank geschrieben bin, ärgert mich diese Sicht. Schließlich tragen wir ein Risiko mit uns herum und müssen uns privat einschränken. Lieber würde ich arbeiten gehen und dafür meinen Hobbies nachgehen können.

Samstag

Ich rechne nach. Wenn ich mich die kommende Woche impfen lassen würde, dann wären bis zum großen Chorauftritt noch keine zwei Wochen vergangen. Und ich weiter außen vor. Ich muss genau heute – an einem Samstag – geimpft werden, um diese imaginäre Zeitmarke zu erreichen und wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu dürfen. Heute. Ein Samstag.

In der Zeitung stand, dass sie hunderte Hepatitis A-Impfungen an Chemnitz geliefert hatten, damit sich Erwachsene und Kinder am Montag impfen lassen können. Aber das war mir zu spät. Ich rufe im Krankenhaus an. Sie verneinen. Die haben nur Tetanus da. Ich bin den Tränen nahe. Aber sie geben mir den heißen Tipp, bei den Bereitschaftsärzten nachzufragen.

Der erste Bereitschaftsarzt, bei dem ich anrufe, entpuppt sich als Urologe. Dort werde ich wohl nicht fündig. Zwischendurch telefoniere ich mit meiner Mutter und frage sie nach ihrem Impfstatus, schließlich möchte sie mich bald besuchen kommen und mich mit meinem Chor singen hören. Die ganze Sache scheint zu scheitern. Ich bin verzweifelter denn je.

Ein Anruf wage ich noch: Ich komme bei einer Allgemeinmedizinerin heraus, die ZUFÄLLIGERWEISE auf Infektiologie spezialisiert ist!!!! Nachdem ich scheinbar verzweifelt genug mein Anliegen hervorgebracht habe, kommt die erleichternde Zusage: „Kommen Sie mit ihrem Impfausweis vorbei.“

Konnte es wirklich sein? Mit einem breiten Grinsen im Gesicht versuche ich mich so weit zurecht zu machen, dass die Ärztin mich für gesund genug hält, die Impfung durchzuführen. In der Praxis angekommen ist es menschenleer. Ich komme sofort dran, erhalte einen neuen Impfausweis und einen Piecks und bin so schnell, wie ich gekommen bin, wieder weg.

Obwohl mir die kalte Herbstluft um die Nase weht, fühlt es sich an wie eine sanfte Frühlingsbrise. Auch wenn die nächsten Tage nicht sonderlich abwechslungsreich sein werden (eine Woche krank, eine Woche Tätigkeitsverbot), so war doch ein Ende in Sicht. Ein Happy End.

Eure Wiebke

 

Dem betroffenen Kind wünsche ich gute Besserung und hoffe, dass es allen anderen Beteiligten gut geht!

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