Work-Life-Balance kann mich mal – eine Woche verflixter Alltag

Work life balance - kann mich mal

So Einiges hat sich geändert. Inzwischen ist es ein Jahr her, dass ich den Weg als Grundschullehrerin eingeschlagen habe. Ein Weg, der auch jetzt noch richtig erscheint, mir – und uns als Familie – aber einiges abverlangt. Seit April studiere ich zusätzlich in Leipzig an zwei Tagen in der Woche, berufsbegleitend quasi. Das alles ist ein Grund dafür, warum das Bloggen derzeit etwas auf der Strecke bleibt. Aber genau das wird nun heute der Anlass sein, mich eben doch einmal zu melden und Euch von unseren verflixten Alltag zu erzählen und Euch einen Einblick darin zu geben, warum die Zeit momentan einfach vorne und hinten nicht reicht.

Montag

Der Wecker klingelt um 6.20 Uhr. Ich mache das Nötigste im Bad: Augenringe kaschieren, anziehen, Zähneputzen und mache anschließend mir und dem Schulkind Wirbelwind die Brotbüchse zurecht. In dem Moment kommt Wirbelwind aus ihrem Zimmer getapst. Ich drücke sie und wünsche Ihr einen schönen Tag. Meine Tasche schnappend, flitze ich die Treppen hinunter. Wölkchen schläft noch. Ich werde sie, wenn ich Glück habe, heute Abend sehen. Der Mann wird die Kinder in Kindergarten und Schule bringen.

6.45 Uhr steige ich in das Auto einer Leidensgenossin ein. Sie und eine weitere Kollegin von mir, beides ebenfalls Seiteneinsteigerinnen, fahren gemeinsam nach Leipzig.

8.15 Uhr kommen wir in Leipzig an. Wir sind zu spät dran, die Parkplatzsuche macht es nicht besser. Dennoch erfahren wir, wie wir mit unseren mathematikbegeisterten Schülern Achsen- und Punktsymmetrien vornehmen und erkennen können.

Eine Stunde später tauchen wir bereits in die geschichtliche Entwicklung der Fibeln und in neuere Konzepte ein.

11 Uhr starten Vorträge zu Themen des individuellen Lernens in der Schule.

Mittagspause.

Am Nachmittag stehen zwei weitere Veranstaltungen an: Geometrie und nochmal Deutsch. Die Worte der Dozentinnen dringen immer schwerer zu mir vor. Mein Kopf brummt. Overload.

16:30 Uhr treten wir die Rückfahrt an. Wir lassen den Tag Revue passieren.

15.30 Uhr holt mein Mann Wirbelwind von der Schule und Wölkchen vom Kindergarten ab. Gemeinsam gehen sie zum Tanzkurs, bei dem Wölkchen das zweite Mal teilnimmt. Während Wölkchen den Anweisungen der Tanzlehrerin lauscht, düst der Mann mit seinem Auto zum Hockeyplatz und übergibt Wirbelwind dem Trainer, bevor er wieder zur Tanzschule fährt, um Wölkchen entgegen zu nehmen. Es ist 17 Uhr.

17:55 Uhr springe ich an einer roten Ampel aus dem Auto, verabschiede mich bis morgen und flitze den Berg hinauf. 2 Minuten vor Beginn begrüße ich Wirbelwinds Lehrerin, die zum Elternabend eingeladen hat. Timing.

Die nächsten 90 Minuten erfahre ich mehr über die Situation an der Schule und im Hort. Wer aufmerksam mitliest weiß, dass es hier in der Vergangenheit zu Problemen kam. Die Stimmung ist angespannt.

Derweil hat mein Mann zusammen mit Wölkchen Wirbelwind vom Hockey wieder abgeholt. Zusammen essen sie Abendbrot, schauen Tablet, ziehen sich um und lesen sich gegenseitig etwas vor.

19:30 Uhr sind wir fertig. Ich laufe nach Hause und hoffe die Kinder noch sehen zu dürfen. Ich darf. Ich werde freudig begrüßt, drücke sie ganz fest und bringe sie ins Bett. Kuschelzeit.

30 Kilometer gingen auf das Konto des Mannes, 166 auf meins.

Eigentlich stünde jetzt noch Volleyball an. Aber ich lasse es, mal wieder, sausen. Die Anziehungskraft des Sofas ist stärker.

Dienstag

Der Wecker klingelt 6.20 Uhr. Ich dusche, wasche meine Haare und bereite wieder die Brotbüchsen vor. 7:20 Uhr verlasse ich das Haus und laufe zum vereinbarten Treffpunkt. Gemeinsam fahren wir drei Grazien wieder unseren gewohnten Weg.

9 Uhr sitzen wir, pünktlich, im Seminar zum Sachunterricht. Wir erhalten die Hausaufgabe, am Wochenende im Rahmen des Citizen Science Vögel zu zählen. Wir freuen uns riesig über die zusätzliche Aufgabe.

Anschließend wechseln wir den Standort und kurven durch Leipzig. Ich freue mich auf die Mathematik-Vorlesung. Anders als zur allerersten (ich berichtete hier), hat sich das Publikum arg gelichtet und es scheinen nur noch die Studierenden anwesend zu sein, die tatsächlich etwas lernen wollen. Die Geräuschkulisse ist angenehm. Ich kann erstes Wissen aus dem Workshop von Montag zur Achsensymmetrie anwenden. Ein Erfolgserlebnis.

12:15 Uhr wird die Vorlesung von hartnäckigem Baulärm gestört. Da auch fünf Minuten später die Bohrgeräusche nicht aufhören und die Professorin die Verursacher nicht ausfindig machen kann, muss sie wohl oder übel die Veranstaltung abbrechen. Wir starten in eine verlängerte Mittagspause.

13:15 Uhr dürfen wir in die Welt verschiedener Lehrkonzepte eintauchen, bis der Raum eine Stunde später von einem schrillen Ton durchflutet wird: Feueralarm. Wir tippen darauf, dass die Bauarbeiter, die bereits die Mathematikvorlesung sabotierten, nun auch noch den Feueralarm ausgelöst haben. Wir gehen nach draußen und warten, bis die Feuerwehr eintrifft. 15 Minuten später gibt diese Entwarnung. Die Dozentin, die mit uns gewartet hat, führt die Vorlesung fort und überzieht deutlich. Es geht dafür fast die gesamte Pause drauf. Ich bin angetan, weil die Dozentin es für so wichtig erachtet, uns ihren Stoff noch zu vermitteln (keine Ironie).

Fast nahtlos schließt sich die letze Vorlesung für diesen Tag an. Die junge Professorin hat scheinbar besonders viel zu sagen und stopft ihre Vorlesung mit 80 Folien voll. Im Minutentakt switcht sie durch selbige hindurch, als ob sie aus den Folien ein Filmchen generieren wolle. Unsere Aufnahmekapazitäten sind eh längst erreicht und so muss ich gestehen, dass von den letzten 90 Minuten nicht wirklich viel hängen geblieben ist.

Zeitgleich holt der Mann die Kinder ab und geht mit Ihnen auf den Spielplatz. Er trifft meine Freunde. Zumindest einer, der meine sozialen Kontakte am Laufen hält.

16:45 Uhr treten wir den Heimweg an. Ich bin 18:30 pünktlich zum Abendbrot zu Hause. 180 Kilometer habe ich heute hinter mir gelassen. Ich bin gerädert, im wahrsten Sinne des Wortes.

Wir bringen die Kinder ins Bett. Anschließend setze ich mich hin, um den Unterricht für den nächsten Tag vorzubereiten. Ich falle irgendwann nach 22 Uhr in mein Bett.

Mittwoch

Der Wecker klingelt 6.20 Uhr. Wirbelwind sehe ich noch beim Frühstück, Wölkchen verabschiede ich an ihrem Bett. 7 Uhr stehe ich in der Schule, um Kopien zu machen, den Vertretungsplan zu studieren und dann 7.30 Uhr meine Klasse zu begrüßen. Den ganzen Tag habe ich bei Ihnen: Zweimal Deutsch, zweimal Sachunterricht und noch eine Förderstunde. Pausen gibt es nicht. Die brauche ich, um Aufsichten zu machen oder die nächste Stunde vorzubereiten. In der Hofaufsicht muss ich einen Jungen festhalten, der auf einen anderen Jungen losgehen will. Adrenalin bis in die Zehnenspitzen.

13 Uhr verlasse ich die Schule und habe das erste Mal in der Woche Zeit, um Besorgungen zu machen. Geld abheben, Einkaufen, Tanken. Ein Glücksgefühl überkommt mich, als ich sehe, wie nach dem Bezahlen der Preis für mein Benzin um 6 Cent angehoben wird. Die Freuden des kleinen Mannes … äh, ihr wisst schon.

Zu Hause angekommen mache ich mich daran eine Sachunterrichts-Klausur zu erstellen, mit denen ich meine Klasse nächste Woche malträtieren muss. Wirbelwind kommt selbstständig aus der Schule gelaufen. Wir unterhalten uns kurz, bis ich Wölkchen aus dem Kindergarten abholen fahre.

16:30 Uhr bringe ich Wirbelwind zum Hockey. Zum Glück holt der Mann selbige wieder ab, so dass ich dort mit Wölkchen nicht warten muss, sondern zu Hause ein Stündchen spielen kann.

18:45 Uhr sind dann Mann und Wirbelwind zu Hause. Es läuft das übliche Abendprogramm ab, bis die Kinder 20 Uhr im Bett liegen.

Donnerstag

Der Wecker klingelt 6.20 Uhr. Wieder bin ich 7 Uhr in der Schule. Angesichts der ständigen Vertretungen und Krankheitsfälle herrscht Unsicherheit darüber, wer nun welche Klasse in der ersten Stunde fördert. Kurz vor Unterrichtsbeginn konnten die Unklarheiten beseitigt werden. Ein bissel Hektik am Morgen, vertreibt Kummer und sorgen. Oder so ähnlich.

13:00 Uhr fahre ich von der Schule zum Bahnhof, um die Oma abzuholen. Gemeinsam sacken wir zuerst Wirbelwind und dann Wölkchen ein. Wir laufen in die Stadt, um 16 Uhr einem Flashmob beizuwohnen. Angesichts einer Beteiligung von vielleicht 20 Personen, war es dann doch nur ein nettes „gemeinsames Singen“, aber ich kann behaupten, dass ich an einem Flashmob teilgenommen habe. Das erste Mal in meinem Leben. Wir schlendern noch etwas durch die Stadt, ehe wir uns auf dem Heimweg machen. Abendbrot, Abendprogramm. Bett.

Freitag

Der Wecker klingelt – ratet mal – genau: 6.20 Uhr, so dass ich 7 Uhr in der Schule erscheinen kann. 12 Uhr geht es zurück nach Hause. Ich hole die Oma ab, damit wir, zusammen mit dem Mann fein Mittagessen gehen. Ich setze anschließend Oma zu Hause ab und hole die Kinder. Wir verbringen den Nachmittag zu Hause bzw. auf der Terrasse. Nach dem Abendbrot geht es noch zur Chorprobe. Zeit zum Durchatmen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Die Woche ist geschafft. Eine anstrengende, voll gepackte, ereignisreiche und aufschlussreiche Woche. Ich habe viel gelernt, viel Neues kennengelernt, habe jedoch meine Kinder viel zu wenig gesehen. Immer mehr weiß ich zu schätzen, was ich an meinem Mann habe, der die Veränderungen und die Mehrbelastung gerne hinnimmt, um meinen beruflichen Neuanfang zu unterstützen. Ich hoffe es zahlt sich aus und es ist eine Investition in die Zukunft.

Eure Wiebke

4 Comments

  1. 12 Mai 2019 at 8:47 pm

    Hallo Wiebke,

    Was für ein Pensum.
    Ich finde es großartig, wie du und dein Mann zusammenarbeiten um das alles zu schaffen.
    Pass bitte trotzdem gut auf dich auf.

    Viele Grüße
    Mama Maus

    • 14 Mai 2019 at 8:33 pm

      Es ist wirklich toll, dass mein Mann so viel übernehmen kann und seine Arbeit auch so viel Flexibilität ermöglicht. Lieben Gruß, Wiebke

  2. 13 Mai 2019 at 7:15 am

    Hut Ab. Ich arbeite nur Vormittags, aber danach bin ich eigentlich zu fast nichts zu gebrauchen. ?
    Liebe Grüße
    Tanja

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